
(um diesen Taufstein
geht es in "Die Begebenheit")
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Das Zeichen aus klarem
Wasser
Bgegnungen am Taufstein
Chr.-Fr.
Prüßner, Hannover
Meditation (zum
Beispiel im Rahmen einer Andacht):Die Gruppe stellt sich im Kreis um den
Taufstein - immer zwei, die zufällig neben einander stehen, gehen zum Taufstein
- die erste Person taucht (zwei) Finger in das Wasser - zeichnet ein Kreuz
auf/in die Hand des anderen - dazu spricht diese Person (diese) Worte (z.B.
"Gott wird Dich nicht vergessen") - die zweite Person tut es
anschließend genauso.
Die Begebenheit (im
Kern identisch mit "Wenn
ein Taufstein erzählen könnte")
geschehen in Wilkenburg, ca. 1990, zu erzählen; Namen von
Personen und Orten sind unerheblich für den Zuhörer und können darum
glaubwürdig dem Ort angepaßt werden
Heinrich Lehmann ist nach dem Abschluß seiner Lehrzeit nach Stuttgart gezogen.
Als er Rentner geworden ist, hat er Zeit und er hat sich vorgenommen, die
Geschichte seiner Familie zu erkunden. Er hat gehört, daß alle seine Vorfahren
im Dorf Hemmingen gelebt haben sollen. Wo kann er Spuren seiner Vorfahren
leichter finden, als in den alten Büchern einer Kirchengemeinde, in denen die
Taufen, die Konfirmationen, die Hochzeiten und die Beerdigungen aufgeschrieben
wurden. Um aber nur eine Familie nach und nach zu entdecken, muß erst einmal
die Schrift neu entdeckt werden, jeder schreibt auf seine Art sauber und
scheinbar leserlich. Heinrich Lehmann, kommt seit sechs Jahren in jedem Sommer
nach Wilkenburg, für drei Wochen kommt er dann jeden Tag, um in den alten Büchern
zu forschen und in jedem Jahr kommt er weiter zurück - bis er schließlich 1990
das älteste Buch in der Hand hatte und damit eigentlich das Ziel erreicht hat.
In seiner langen Liste ist keine Lücke, bis zum Jahr 1643 kann er einen
Menschen aus seiner Familie finden. Er entdeckt auch andere Hinweise, zu ihren
Berufen, zu ihrem Leben überhaupt. - Und dann sagt er: "Nun brauche ich
nicht mehr hierher kommen, ich habe mein Ziel erreicht. Aber einmal möchte ich
noch in diese alte Kirche gehen, wer weiß, wann ich die wieder sehen werde,
jetzt bin ich schob über 70 Jahre alt!" - und als er dann an dem alten
Taufstein steht, den ich sich schon bei anderen Gelegenheiten angesehen hat, da
fällt ihm etwas unscheinbares auf: die Jahreszahl. Der Künstler hat das Jahr in
den Stein gemeißelt, in dem er das Stück fertig gestellt hatte: 1643 -
"Das ist ja genau das Jahr, in dem erste von mir wieder entdeckte Lehmann
auch tauft wurde!" - Ihm kommen wirklich ganz leise die Tränen, das soll
keiner sehen! Und dann sagt er noch zu sich selber: "und auch ich bin hier
getauft worden, auch in einem Krieg! Und wir leben alle noch! Was für eine
Kraft so eine Taufe haben kann!" - Aber die Geschichte ist damit nicht am
Ende. Heinrich Lehmann hat sich grad wieder ein wenig gesammelt und versucht
wieder "ganz Mann" zu werden, da kommt ein Besucher in die Kirche,
die zufällig offenstehende Tür nutze er als Chance, denn "sonst ist hier
doch immer zu, wenn ich mal mit meinem Rad vorbei komme!" - er geht auch
zu dem schönen Altar, kommt zurück und bleibt vor dem Taufstein stehen, sieht
sich den reich bebilderten, bunten Stein an und sagt: "Da bin ich mal
getauft worden!" sonst nichts, bleibt noch eine Weile stehen und sieht
sich dann den anderen Mann da an, - stutzt...: "Sag mal, bist Du nicht der
Heinrich?!" - "Wer sind Sie denn?!" - "Sag mal, Du hast
doch '48 auch im Westerfelder FC Fußball gespielt, richtig?!" - es stimmte
und zwei Schulfreunde sahen sich damit wieder...
Heinrich Lehmann ist bereits verstorben und der andere erinnerte sich noch 1999
an diese Begegnung am Taufstein in Wilkenburg und dazu sagte er dann:
"Eigentlich sind es doch nur Tropfen, aber die Wirkung ist doch unfaßbar
groß."
(Christel Prüßner, 2012)
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