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Gnade sei
mit Euch und Friede von Gott unserem Vater
und dem Herrn
Jesus Christus
Leben aus Gottes Kraft: Unter diesem Titel standen fünf Tage in Ulm, auf die meine Frau und ich uns eingelassen hatten. „95. Deutscher Katholikentag“ war der Titel der Veranstaltung - ein scheinbar kleiner Kirchentag in eine scheinbar kleinen Stadt. - Nachdem im vergangenen Jahr in Berlin zum ersten Mal ein Kirchentag auf ökumenischer Basis für reichlich viel Aufsehen sorgte, und dort die riesigen Zahlen im Blick auf Teilnehmer und Themen hart an der Grenze des Begreifbaren lagen, wollten wir einmal ein ganz kleines Treffen der Christen erleben. Und dann kam alles ganz anders. Es kamen nicht die zunächst erwarten 15.000 Menschen, sondern es wurden 25.000, dazu noch bis zu 10.000 Tagesgäste... aber was viel überraschender war: Wenn in Berlin den Teilnehmern immer wieder das Stichwort Ökumene um die Ohren flatterte, so war es in Ulm tatsächlich erlebte und eben nicht zelebrierte Ökumene. - und siehe da, es geht eben doch! Grenzen werden überschritten, ohne dass es jemand bemerkt, Anderssein wird erkannt und als Bereicherung angenommen. Gemeinsamkeiten werden einfach gelebt und nicht hervorgehoben. Oder mit einem prominenten Wort aus grauer Vorzeit zusammen gefasst: „alle konnten nach ihrer Facon selig werden“ und dennoch konnten wir an einem Tisch sitzen, in einer Schlange warten, und miteinander freuen und gemeinsam aus vollem Herzen empört sein. Die vielen kleinen und manchmal eher unscheinbaren Selbstverständlichkeiten lassen sich an kleinen Schlaglichtern ausmachen: Jeden Morgen um 9 Uhr wurde an verschiedenen Stellen der Stadt zu einer Bibelarbeit eingeladen. Der für mich knapp zu erreichende Punkt war das Ulmer Münster, die größte Evangelische Kirche Deutschlands, nach Stehplätzen gemessen passen 18.000 Menschen hinein. Am ersten Morgen also mit schnellem Schritt dort hin, ich finde einen guten Platz im Seitenschiff, kurze Orientierung, welcher Text steht im Mittelpunkt und schon geht es los... - ach nee, wer hat heute hier Dienst? Meine Chefin, die Bischöfin der Landeskirche Hannovers, ganz in ziviler Straßenkleidung - war das nicht ein Katholikentag? - Am nächsten Morgen derselbe Ort, ein anderer Text, ein anderer Bibelarbeiter, Landesbischof Maier, Stuttgart, . Ich habe es nur oberflächlich gelesen, der Name sagt mir nichts, aber der Text macht mich neugierig; „sind Sie auch wegen dem Maier hier?“ spricht mich die Frau an, die neben mir Platz genommen hat? „Nein! - aber ich schließe daraus, dass Sie zur Evangelische Kirche gehören!“ - Vorurteile müssen hin und wieder überprüft werden! - „Nein, nein!“ ist die in schwäbischer Mundart vorgetragene Erwiderung, „ich bin schon katholisch, aber das ist doch einer von uns!“ und so erfahre ich: „der ist doch hier geboren, getauft, der hat hier geheiratet, der war hier schon Pastor und Dekan, der ist wirklich gut!“ - Einer von uns! - oder als ein letztes Beispiel dienen mir zwei junge Leute, die neben mir in der Menschenmenge stehen, die auf einen Bus nach Wiblingen wartet. „Willst Du auch da zu dem Gottesdienst?“ fragt sie ihn, „ja, ich weiß zwar nicht, was ökumenisch ist, aber es soll gut sein, klar!“ Und dann am Samstag, wieder Bibelarbeit im Münster. Auf dem Programm steht „Jesu Ruf zur Nachfolge - Markus 8, 34-38“ Für die biblische Betrachtung ist an diesem Morgen der Bundestagspräsident Wolfgang Thierse verantwortlich, wie sich dann für mich herausstellt, endlich auch mal ein Mensch der katholischen Kirche... - ich lese mich selbst in den Text hinein und freue mich, wie nah das bis dahin erlebte in Ulm gespiegelt wird:
Markus 8 (31-) 34-38
Jesus rief die Volksmenge und seine Jünger zu sich und sagte: Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen und um des Evangeliums willen verliert, wird es retten. Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein Leben einbüßt? Um welchen Preis könnte ein Mensch sein Leben zurückkaufen? Denn wer sich vor dieser treulosen und sündigen Generation meiner und meiner Worte schämt, dessen wird sich auch der Menschensohn schämen, wenn er mit den heiligen Engeln in der Hoheit seines Vaters kommt. Ich gebe gerne zu, dass mir die Gedanken des Politikers entfallen sind, ich war wohl zu sehr mit dem eigenen Nachgehen befasst. Was heißt es, Jesus auf seinem Weg zu folgen? Zwei Tage zuvor hatte sich ausgerechnet im Münster ein selbsternannter Jesus laut schreiend im Münster zu Wort gemeldet und wurde freundlich und doch bestimmt aus der Kirche geleitet, und er machte noch manches Mal auf sich aufmerksam. - Ist es die Aufgabe eines Christen, den Jesus nachzumachen, nachzuspielen? - Das Kreuz auf sich nehmen und ihm folgen, das muss etwas anderes sein, als so zu tun, wir könnten Jesus im Jahr 2004 so lebendig werden lassen, wie im Jahr 36 nach unserer Zeitrechnung. Das Kreuz auf sich nehmen, heißt nicht, dass wir selbstmörderisch unser Leben aufs Spiel setzen und einem eigenen Programm folgen. - Jesus nachzufolgen heißt nicht, sich zu verkleiden, oder eine Maske aufzusetzen, oder gar andere zu zwingen, solches zu tun. Etwas ganz anderes steht in diesen Worten des Jesus: Gebt Eure billigen Maßstäbe auf, verlasst Eure mit Stacheldraht bewehrten Grenzen, - Grenzen der Ideologien und Meinungen - befreit Euch von Eurem Egoismus, kommt heraus aus Euren Fluchtlöchern, verschanzt Euch nicht in Euren edlen Palästen, ob sie Euch Wohnung oder Kirche sind. - Geht hin zu den Menschen und erzählt ihnen von unserem Gott, von der guten Nachricht der Befreiung... und dann werdet Ihr erleben, wie befreiend die Freiheit auf Euch selber zurück strahlt. Und wenn Du das genau als eine solche Freiheit erlebst, dann wirst Du nicht von anderen erwarten, dass sie sich widerspruchslos irgendwelchen Gesellschaftsnormen ergeben und von NORMAL und UNNORMAL reden, dann werden alle mit Dir nach dem Willen Gottes „trachten“... [Exkurs: TRACHTEN = althochdeutsch: trahton - vom lateinischen: tractare = ziehen, behandeln, bearbeiten, überlegen -- TRAKTAT = Behandlung, Erörterung. -- Traktor - traktieren = behandeln, bewirten, verpflegen.] Und wenn ich an die Tage in Ulm zurückdenke, dann fällt mir eines gewiss auf: In unseren Kirchen gab und gibt es leider einen reichlich großen Hang zum Diktieren von Machtbesessenen. Diese Machtvollen werden jetzt mit geringer werdenden Geldmitteln zusehens sprachloser und offenkundig auch machtloser. Und schon entdecken die Christen den großen Raum der Kirche und sie entdecken ihn nicht nur, sondern sie breiten sich ihn ihm aus, sie entdecken die bislang schön verkleisterten Defizite im ganzen christlichen Umfeld - benennen diese - versuchen Abhilfe zu schaffen, auf erstaunlich einfache und effektive Arten und Weisen. Es ist sind keine leichten Schritte, es sind auch keine ebnen Wege, mancher Kummer muss ausgehalten werden, einige Kraftreserven werden bis zur Erschöpfung eingebracht - aber es sind ansteckende Einsätze... - Und auf einmal stehen da Menschen, die von ihren Erfahrungen mit Gott sprechen, die das selber vor einiger Zeit nicht für möglich gehalten hätten, sie gehen frei mit sich um, weil sie sich als Befreite erleben, fröhlich, lustig, lebensnah, bereit zum Mitleid und zum Trösten.
An einen Nebensatz von Wolfgang Thierse kann ich mich grad erinnern: Die Freiheit der Menschlichkeit haben manchmal auch Politiker! Es war mit einer deutlichen Spur der Bitternis verbunden und das vernehmbare Lächeln über dieses Bekenntnis aus der großen Zahl der Zuhörer bestätigte ihn durchaus. - Denn auch das wurde bei den Veranstaltungen des Katholikentages in Ulm erkennbar: Die Angst der politisch Handelnden findet kein wirkliches Gegenüber in der breiten Menge der Bürger dieses Landes. Und wie hieß darum ganz richtig es in einem Podiumsgespräch: Wir Politiker müssten uns vielleicht einmal ganz weit zurück stellen und zuhören. - Vielleicht? - Bestimmt! - und wenn wir das als Christen an unserem Platz tun, ohne Anklage und ohne Vorwurf, und ohne Häme, vielleicht wäre das ein begehbarer Weg in die Zukunft unseres Landes.
Und wenn Dir keiner zuhören will? - nicht schreien, nicht zetern, aber auch nicht aufgeben! - abwarten, man wird Dich fragen, man wird Dich um Deine Verantwortung bitten! - es bis dahin auszuhalten, das wird nicht leicht sein, doch es wird der richtige Weg sein. Jesus nachzufolgen heißt eben erst einmal: dabei bleiben und die Richtung nicht aus dem Auge verlieren. - auch wenn es manchmal an die Grenzen des Leistbaren geht - das Kreuz. „Wer sein Leben um des Evangeliums willen verliert, der wird es retten.“ Und ich vertraue darauf, dass ich mich darauf verlassen darf AMEN christel prüßner, hannover |
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