DA 2010-07-23

„Du wohnst aber schön hier“
 

Es ist eine schon lange zurückliegende Begebenheit, an die ich in diesen Tagen mehrmals denken musste. Und am Ende der eigentlich sehr kleinen Begebenheit stand die von Herzen kommende Bemerkung „Du wohnst aber schön hier!“ - Jetzt in der Ferienzeit nehmen sich auch Menschen den kleinen Luxus heraus, Wege zu wagen, die ihnen sonst so nicht in den Sinn kommen möchten, aus welchen wichtigen Gründen auch immer. Und zu einem dieser kleinen Geschenke, die sich Menschen selber machen, gehört der Gang in eine Kirche, oder in eine Kapelle; oder in einen Dom. Ich erinnere mich an den Besucher, der vor wenigen Tagen ankommt, sich umsieht und zu seiner Begleiterin immer wieder Sätze beginnt mit, „Damals war da...“ -- “...noch eine ganz andere -jetzt neue Orgel sieht besser aus“ -- „...die große Mauer zwischen beiden Kirchenhälften noch nicht“ -- „... die jetzt viel schöneren großen Fenster ganz anders!“. Im Hinausgehen sprechen sie mich an und damit erfahre ich: Etwa vor zwanzig Jahren war der Wortführende der beiden zuletzt in dieser Kirche. Ich versuche ihm ganz vorsichtig die Information zukommen zu lassen, dass an dieser Kirche seit etwa 100 Jahren keinerlei Veränderungen vorgenommen wurden, außer der Farbauffrischung und auch die liegt schon sehr lange zurück.– Dieses Haus aber hat im Verlaufe der Jahre für ihn an Wert gewonnen. Es wurde gut investiert – bei diesem Menschen. Schon wenige Tage später wieder eine Begegnung, ein anderer Ort, auch wieder eine Kirche, eine ebenfalls sehr alte, ein Gast mit Kind an der Hand und wieder bin ich mit meinen Ohren zu dicht dabei „schau diese schönen alten Bänke, nicht so ein neumodischer Kram, wie bei uns das mit den Stühlen, und da oben die Orgel, da wo sie auch hingehört. Hier ist alles noch so, wie es sein muss!“ Das Kind an seiner Seite weiß gar nicht, wie es die Worte verstehen soll. Denn es kennt seine Kirche schon ganz gut, weil es da mit den anderen Kindern oft drin ist und die Kirche ist schön, da kann man richtig gut laufen, und wenn man da singt, das hört sich riesig an! - Aber auch der Eintrag in das ausliegende Gästebuch einer großen Kirche kommt mir in Erinnerung. Wenige Momente vor mir stand da eine Frau und hatte eine für sie wichtige Notiz hinterlassen „Ich bin zwar gar nicht gläubisch, aber diese Kirche ist so schön, Deine Lisa“.
Und nun die Geschichte, die ich in Sommerferien 1989 erleben durfte. An jedem Sonntagnachmittag hatte ich für die vielen Radfahrer auf der Route Hannover -.Marienburg die Wilkenburger St.Vitus-Kirche geöffnet. Auch ohne irgendeinen Hinweis war immer viel Betrieb, Denn alle die vorbei kamen, hofften auf die endlich mal geöffnete Tür. Um 17 Uhr wurde dann abgeschlossen, bis auf dieses eine Mal. Zwei Mädchen, vielleicht 9 u. 11 Jahre alt, waren unterwegs, ganz allein durch die Masch. Sehen mich mit dem riesigen Schlüssel an der Turmtür hantieren, „zeig mal!“ - ich gebe ihnen den Schlüssel - „ist der schwer - können wir da mal rein!“ - das war keine Frage, das war eine Aufforderung - klar, warum nicht. Der damals noch beklemmend wirkende Turmraum entlockt ein „oh, ist das dunkel, was ist denn oben“ - das Fachwerkgerüst lässt ahnen, da muss mehr sein - rein in den Kirchenraum , den roten Teppich entlang gestürmt – hin zum Altar „sieht das schön aus – was is'n das?!“ - ich versuche das Altarbild zu erklären, aber mitten im ersten Satz die nächste Frage – „wer ist das?“ auf eine Figur im Altarbild wird gezeigt, keine Erklärung wirklich haben wollend, und dann auf das Kreuz zeigend „was macht der da? - warum breitet der Arme aus?!“ - „was ist gekreuzigt?“ - und ich versuche den Telegrammstil zu übernehmen „ach, so! - und wer hat das gemacht?“ - knappe Antwort von mir - „kenne ich nicht!“ weiter zum großen Taufstein, „was'n das? - ist das aber kalt und sieht auch schön aus! - wie geht Taufe machen?“ - wieder zurück gerannt, hoch zur Decke geblickt „ist das hier hoch! – Du, wie spät ist das?“ - Zeitansage – „au, da müssen wir aber schnell nach Hause“ - ich erfahre im inzwischen verinnerlichten Telegrammstil, nach Grasdorf müssen beide, also noch ein ganz schöne Stück hin – sie holen jetzt erst einmal Luft, schauen sich den Kronleuchter an. - nein, sie müssen weiter, nach Hause, wieder ist da der Schlüssel; das riesige Schloss knarrt so schön, schließlich ist die Kirche zu, sie steigen auf ihre kleinen Räder und die ältere der beiden wendet sich noch einmal zu mir „Du wohnst aber schön da!“, und weg sind sie. Kirchengebäude haben eine eigene Ausstrahlung und dazu gehört offenbar auch der erste eigene Eindruck von der ersten Kirche, die ich bewusst auf mich wirken ließ, sie wird in Zukunft immer wieder als Vergleich den anderen gegenüber dienen!

     

    Christel Prüßner, Religionspädagoge und Diakon

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