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1949 - Weihnachten - Lübecker Nachrichten
Weihnachten hat manche Geschichte parat,
die irgendwann doch mal erzählt werden sollte.
Doch, was ich erzählen möchte, sind gleich so viele Geschichten, dass ich gar nicht weiß, welche ich erzählen sollte.
Fange ich mit mir an: Geboren im Dezember 1949 - also genauso alt wie die BRD.
Im Dezember 1969 gut nach gerechnet? zwanzig Jahre später leiste ich einen
Taschengeldjob in einem Alten-Pflegeheim. Dazu gehörte es auch, nach
einem Todesfall den nicht übernommenen Nachlass zu "beseitigen" und wie
oft waren da aus meiner Sicht wirklich wertvolle Dinge bei.
Und im Dezember 1969 ist in der großen Zinkwanne eine dicke
Familienbibel - gedruckt 1913. groß wie ein DIN A4-Blatt, 10cm dick,
mit einem Lederimitat gebunden, mit Erklärungen an vielen Stellen -- ähnlich der
Stuttgarter Jubiläumsbibel. Das gute Stück habe ich nicht wegwerfen
können.
Und dann in der eigenen Bude angekommen, entdecke ich beim Blättern
viele Lesezeichen, Kalenderblätter, Glücksklee, und zwei Zeitungsseiten
aus verschiedenen Seiten.
Die eine Zeitungsseite fesselte mich aber doch sogleich: "Lübecker
Nachrichten" Die Titelseite vom 25. Dezember 1949 - also nur wenige Tage nach
meinem Geburtstag erschienen. Und auf der Titelseite ein Faksimile der
Weihnachtsgeschichte nach Lukas, mit Erklärungen und einem Holzschnitt,
der die Ankunft der Hirten zeigt.
Also wieder eine weihnachtliche Geschichte.
Und auf Seite Zwei, Berichte aus Schleswig-Holstein: Weihnachtsfeiern,
Ministerpräsident in Geschenkelaune, die Grenze zur SBZ ("Zone")
beginnt ihren Schrecken zu entwickeln, kleinere und größere Gaunereien.
Und diese Seite zwei lohnt es, heute noch einmal zu lesen -- was hat
sich seit dem wirklich verändert - es ist weniger, als wir ahnen! - will
es schein.
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und hier nun der Text von Seite zwei:
Lübecker Nachrichten
25.Dez.1949
Wo im Land die Kerzen brannten...
Behörden, Schulen und Hilfsorganisationen betreuten Kinder, Versehrte und alte Leute
Bad Oldesloe (ho). Wie in anderen Kreisen des Landes hat der
schleswigholsteinische Ministerpräsident Diekmann auch in Stormarn kurz
vor Weihnachten an die zwölf kinderreichsten Familien eine
Sondergeldspende verteilen lassen.
Bad Oldesloe (gst). Wieder werden rund 20 Heimatvertriebene auch dieses
Weihnachtsfest im letzten Oldesloer Massenquartier der
„Jugendherberge" verleben müssen. Die evangelische Kirchengemeinde
bedachte sie mit Grüßen und Geschenken.
Bargteheide (bw). über 250 Personen beteiligten sich an der
Weihnachtsfeier des Reichsbundes im Gasthof „Am Markt". Pastor Suck
hielt die Festansprache. Der gemischte Chor der Heimatvertriebenen, die
Kapelle Filter sowie verschiedene Einzeldarbietungen sorgten für
Unterhaltung.
Hammoor (bw). Auf der gut besuchten Schulweihnachtsfeier im Anlerschen
Saal führten die Kinder das Märchenspiel „Sonnenstrahls Erdenfahrt"
auf.
Jersbek (bw). Beide Schulweihnachtsfeiern im Gasthof Nuppenau
erfreuten sich eines guten Besuches. Die Gedichte und Lieder der Kinder
wurden mit viel Beifall aufgenommen. Jedes Kind erhielt zwei Tafeln
Schokolade.
Todendorf (rn). Der Höhepunkt der Schulweihnachtsfeier in Peemöllers
Gasthof war das Märchenspiel „Die goldenen Träume". Der Beifall war
stürmisch. Der Schulchor sang altvertraute Weihnachtslieder.
Weede (gk). Kaum vermochte der Martenssche Saal die aus den drei Dörfern
Weede, Steinbek und Mielsdorf zahlreich erschienenen Eltern und Kinder
zu fassen, als Schulleiter Voß mit einer Ansprache die Weihnachtsfeier
des Schulverbandes einleitete. Die größeren Kinder spielten das
Theaterstück „Der motorisierte Weihnachtsmann". Der Weihnachtsmann
bescherte über 200 Kinder.
Mölln (em). Die Mädelabteilung der Landwirtschaftsschule hatte die
Mütter der Schülerinnen zu einer Weihnachtsfeier eingeladen, bei der sie
eine Probe ihrer erlernten Back-, Koch- und Nähkünste gaben. Der
nächste Lehrgang, der von April bis Oktober in Mölln stattfindet,
beabsichtigt eine. ähnliche Zusammenkunft während des Sommers
durchzuführen.
Büchen (di). In den letzten Tagen hatte der Weihnachtsmann in Büchen
reichlich Arbeit. Zunächst bescherte er durch Bürgermeister Dr. Pahl und
Gemeindesekretär Meyer, der sich besonders viel Mühe gemacht hatte, 40
besondere bedürftige Flüchtlinge mit den von Büchener Familien
gespendeten Sachen.
In der Waldhalle fand die Bescherung für über 150 alleinstehende Alte
aus dem Altersheim, dem Flüchtlingsheim und aus den Gemeinden Büchen,
Dorf Büchen und Bröthen statt.
Auch das benachbarte Witzeeze hatte die Kinder und Bedürftigen zu einem reichhaltigen Gabentisch eingeladen.
Fehrenbötel (wg). Im Gasthof „Weidmannsruh" veranstaltete die Gemeinde
für sämtliche Ortsbewohner eine stimmungsvolle Weihnachtsfeier, die von
Liedern, Gedichten und Chorgesängen der Schulkinder umrahmt war. In
seiner Weihnachtsansprache drückte der zweite Bürgermeister Theo
Anweiler die Hoffnung aus, daß der Menschheit nach all dem Leid doch nun
endlich der langersehnte Frieden vergönnt sein möge. Alle
Gemeindeeinwohner von über 70 Jahren erhielten ein Geschenk.
Geschendorl (in). Der Reichsbund der Kriegsbeschädigten, Sozialrentner
und Hinterbliebenen sammelte für die Schwerkriegsbeschädigten,
Vollwaisen und alten Frauen. Mit kleinen Geldgeschenken und
Kleidungsstücken wurde so den Notleidenden eine kleine Weihnachtsfreude
zuteil.
Seth (kr). Die Volksschule Seth veranstaltete kürzlich ihre
Weihnachtsfeier. Unter der Leitung von Lehrer Jancobius führten die
Größeren das Weihnachtsstück „Die goldene Gans" auf, während die
kleineren Kinder Gedichte und Lieder vortrugen. Der Kinderchor unter
Leitung von Lehrer Woeßner erntete reichlich Beifall.
Krumbeck (em). Vertriebene Waisenkinder waren von den Hofbesitzern zu
einer frohen Weihnachtsstunde eingeladen. Die Kinder wurden festlich
bewirtet und erhielten eine Festtüte, Äpfel und kleine Geschenke.
Gefährliches Spiel
Mölln (sa). Spielende Kinder fanden unter der Brücke bei der
Grander Mühle im Ortsteil Rothenbek englische Gewehrmunition. Ein
13-jähriger Knabe hatte das Geschoß von der Hülse entfernt und brachte
es zur Explosion. Er erlitt durch einen Splitter im Unterleib eine
schwere Verletzung und wurde ins Krankenhaus Lütjensee gebracht. Die
Verletzung soll nicht lebensgefährlich sein.
Schwindler festgenommen
Schwarzenbek (g). Der in 23 Fällen größerer Betrügereien und
verschiedener Urkundenfälschungen überführte Kaufmann Alfred Sch.
wurde festgenommen und dem Amtsgerichtsgefängnis zugeführt. Sch.
erschwindelte sich vorwiegend von Tabakgroßhandlungen,
Kaffeegroßröstereien und Spirituosengroßhandlungen unter Vorspiegelung
falscher Tatsachen erhebliche Warenmengen, die er wieder umsetzte. Das
Geld verbrauchte er für sich.
Gewöhnlich gab er an, er hole die jeweils verlangten Waren im Auftrage
seines Schwiegervaters, welcher die Bezahlung regeln würde. Hierfür
schrieb er Bestellscheine aus und unterzeichnete sie mit dem Namenszug
seines Schwiegervaters. Der bisher ermittelte Schaden beträgt rund 3000
Mark.
Darüber hinaus schädigte der Schwindler mehrere Privatleute, die ihm vertrauensselig Geld liehen.
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