GEH SCHICHTEN

 

Konfirmandenzeit - wer dieses Wort nicht kennt oder die dazu gehörende Praxis nicht kennengelernt hat, dem könnte ich nicht einmal sagen, was er wirklich verpasst hat. - auch wenn es für Eingeweihte nach purem Hohn klingt, ich sage dieses aus voller Überzeugung und nach langer - viele Jahre währender Zeit des Mittuns und Nachdenkens

 

Konfirmanden – Konfirmation!
- meine Disputation

„Ohne Spinnengeweb vorm Maul“
oder „Vor Gehalten und nach Gedacht“


Die Geschichte der Konfirmation beginnt mit einer und als eine Trotzreaktion, mit gegenseitigen Vorwürfen, mit halbherzigen Überlegungen. Wichtig war am Ende nur, dass eine weitere Spaltung vermieden werden konnte, dass den Wiedertäufern der Wind aus den Segeln genommen werden konnte.

Bucerius hatte mit dem Gedanken der kirchlichen Unterweisung durchaus einen schlüssigen Weg aufgebaut – wenn da nicht die Falle schon in der Startposition gelegen hätte.

Die Reformation hatte sich von vielen Dingen des kritisierten und reformbedürftigen katholischen Lebens verabschiedet, so auch von der Begleitung der Kinder in ihrem Heranwachsen als glaubende Menschen, denen mit der Taufe ein unendliches Geschenkt gemacht wurde.

ABER allein in der Versachlichung der Begleitung, im Verengen auf vorgegebene dogmatische Formeln wächst in Wirklichkeit kein Mensch auch nur einen Tag lang auf. Glauben wächst durch das Entdecken und auch durch das Zulassen der eigenen Fragen. Fragen die einen Zeugen suchen, einen lebendigen oder lebendig werdenden Zeugen. Ein Zeuge, der die Frage zu verstehen sich bemüht und der helfen mag, und der sich zutraut nach Antworten zu suchen.

Hinzukommt, dass die Unterweisung vor der Reformation sich tatsächlich nicht auf kindgemäße Formen einlassen mochte, sondern die Formeln und Dogmen supervereinfacht den Eltern einhämmerte und diesen auftrug, sie ihren Kindern weiterzugeben.

Entsprechend baute Bucerius seine Unterweisung vor der Konfirmation genau wieder auf dieser Familiengrundlage. Er ging faktisch davon aus, dass in den evangelisch orientierten Familien ohnehin täglich die Hausandacht gepflegt würde, das Wort der Heiligen Schrift damit den Tag begleitete, das Gebet gewissermaßen zur Einrichtung der Familie gehörte. Und er setzte damit voraus, dass in den Familien auch das Glaubensgespräch gepflegt und geführt wird. - Ein Idealisierung, der vielleicht in 10 von 100 Familien damals mehr oder weniger nahe gekommen werden konnte.

Auf diesem Fundament sollte dann die kirchliche Unterweisung im Pfarrhaus bauen, in dem die Säulen Taufe und Abendmahl (incl. Beichte) stützend und weiterführend dem nun bald erwachsenen Menschen ein glaubensvolles Leben ermöglichen könnten – zu dem er mit der Konfirmation selber vorher JA gesagt hatte. Dazu gehörten auch damals schon die wichtigen Aufgaben der Paten, das Kind seinem Heranwachsen zu begleiten, ihm beizustehen. Die Konfirmandenzeit sollte etwa ein halbes Jahr umfassen und war vom Pfarrer der Gemeinde zu leiten. - Das war die Theorie und mit rühmlichen Ausnahmen blieb es eben auch nur Theorie.

Welchen Stellenwert die Konfirmandenzeit dann im Verlaufe der folgenden Jahrhunderte zugewiesen bekam, ist allein schon darin abzulesen, dass in Hamburg die Konfirmation erst Mitte des 19ten Jhd. eingeführt wurde. Genau zu der Zeit, als sich die kritischen Anmerkungen in den Visitationsberichten der Pfarrer landesweit häuften und immer wieder der Zweifel am Wert der kirchlichen Unterweisung in den Vordergrund gestellt wird.
Selbst die immer wieder geübte Disziplinierung der Gemeinden, die Institution Konfirmation nicht durch Missachtung zu entwürdigen, brachte bei genauem Hinsehen nach einem nur sehr kurzen Strohfeuer keine Erfolge. Wenn die Tochter, der Sohn im Haus, auf dem Hof, im Betrieb, auf dem Feld „gebraucht“ wurden, dann war das eben so. Konfirmandenzeit rangierte von Anfang an immer an letzter Stelle.

Übersetzt heißt das auch – schon damals: Es wird kein wirklicher Sinn in dem gesehen, was die Kirche da von unseren Kindern will.

Eine Glaubensauseinandersetzung in den Familien passierte weiterhin lediglich auf sehr schmalem Grund. In den allermeisten Familien gar nicht und in nur wenigen Familien wirklich das Individuum akzeptierend.

„Warum wurde ich getauft!“ - es wäre ein eigene Untersuchung wert, diese Frage Kindern und Erwachsenen vielseitig zu stellen. „Wann hast Du gefragt?“ -“Was wurde dir geantwortet?“ - „Wer hat dir geantwortet, oder wer wollte nichts dazu sagen?“

Im Blick auf die kirchliche Unterweisung nach dem II.Weltkrieg wird das Drama der vorausgehenden dreißig Jahre verstärkt und unreflektiert fortgesetzt. Das zerfallene Kaiserreich (1918), die fehlenden Reibungspunkte der gesellschaftlichen Hierarchien, lässt die Pfarrer und Bischöfe als letzte Instanzen zurück. Diese sind damit nicht mehr in einer staatstragenden Doppelrolle und können nun überhaupt nicht mehr auf das Leben neben der Kirche Einfluss nehmen (auch wenn es anfangs örtlich versucht wird). Die Diskussion in den Familien hat sich zunächst schleichend von den Städten auf das Land begeben. - Wenn auch nur scheinbar ein Witz, so ist davon auszugehen (wie bei jedem Witz) es gibt eine reale Ausgangssituation: „Was hat der Pastor gepredigt?“ - „Von der Sünde!“ - „und was hält er davon?“ - „Er ist dagegen!“ - Aber was hat das mit mir zu tun? - „Was der Pastor schon sagt!“

In den Städten wird erstmals verstärkt beklagt, dass der Respekt vor den Geistlichen auch seitens der Konfirmanden verloren geht. Einher geht diese Wahrnehmung mit dem ohnehin nicht mehr zu übersehenden allgemeinen Werteverlust schon vor 1933. Der Konfirmandenunterricht bleibt sich treu, so als wäre nichts passiert. Feste Zeiten, riesigen Unterrichtsgruppen; Unterrichtsformen, die längst von damaligen Religionspädagogen kritisiert wurde. Wer unterrichtet die Kinder? Prediger, die „nebenbei“ von ihren „Vikariatsvätern“ abgeguckt haben, wie die das machen. Die Konsistorien geben die Marschrichtungen vor und lassen auch die Einhaltung der Regelwerke überprüfen.


In einer Darstellung der Sitten und Bräuche im alten „Landkreis Linden“ (heute: Teil der „Region Hannover“) schildert E.Bock aus der Zeit um 1850 auch die Nebensächlichkeit Konfirmation, auf dem Lande: Zwei Prüfungen gehörten dazu, Geschenke an den Konfirmator, Geschenke an die neuen Konfirmanden, viel Essen und Trinken im Wirtshaus – alles vor der Konfirmation und dann nach dem „feierlichen Akte“ und dem festlichen Essen daheim, der Besuch der Konfirmanden untereinander „und bei jedem wurde was getrunken, mal mehr und mal weniger“. Noch in den 1970er Jahren gab es in dem selben Gebiet die Sprachform für Konfirmation „wer kommt denn dies Jahr raus?“ übersetzt: „wer wird in diesem Jahr konfirmiert?“ denn Konfirmation war aus eigener Erfahrung dieser Menschen gleichgesetzt mit Schulende und Berufsbeginn. Dass dieser Umstand sich da schon zumindest für die Hauptschüler um ein Jahr verschoben hatte, konnte noch nicht in den Sprachgebrauch einbezogen werden.

Konfirmation war schon um diese Zeit längst zu einem Datum verkümmert, das einmal im Leben im Kalender steht und schon nach fünf Jahren von der erschreckenden Mehrheit nicht mal mehr auf Anhieb mit der Jahreszahl benannt werden kann. Eine Konfirmandenstunde in den 1940er Jahren unterschied sich bis in die 1960er Jahre durch überhaupt nichts: 40-50 Kinder in einem Raum, ein entnervter Pastor, grad von einer Beerdigung kommend, schnell alle Kinder aufrufend, ob noch alle vorhanden sind, „abhorchen“ des vor einer Woche aufgegebenen Lernstoffes, Lied, Bibeltexte, Katechismusstücke; immer wieder für „Ruhe“ sorgen, irgendwelche Dönekens erzählen, die selbstredend nicht bei allen dreißig Kindern gleichzeitig Begeisterung erzeugen. Aufgeben des neuen Lernstoffes. Eine Reflexion, gar eine Vertiefung im Blick auf die Lebenssituation eines pubertierenden jungen Menschen passiert nicht einmal im Ansatz. Wie auch, wenn diese Generation nicht einmal gelernt hat, frei seine Meinung ungestraft sagen zu dürfen.

Und der Glaube an den einen Gott des Herrn Pastor muss ja erst einmal verstanden werden, um ihn dann zu reflektieren – und ihn dann vielleicht auf die eigene Person zu beziehen. In den Berichten von Konfirmandinnen und Konfirmanden der Jahrgänge 1940-1960 tauchen unsäglich oft die Erzählungen des Pastoren auf, die die Kinder an die Front des II.Weltkrieges führen, der berühmte Psalm 23. auswendig hergesprochen im Schützengraben. „aber wir sind doch nicht im Krieg“ hatte ein Mädchen dazu einmal entnervt ausgerufen und sich vom Pastor „eine gefangen“, was sie ihm bis heute nicht nachsehen kann. (Bei dem Treffen des Konfirmandenjahrgangs 1955 anlässlich der 50ten Wiederkehr dieses Tages waren sich alle Anwesenden darin einig, dass sie neben „auswendig“ lernen und „aufsagen“ noch ganz viele Kriegsgeschichten aus Russland vom Pastor gehört hatten. - sonst nichts? - nein, sonst nichts!)

In einer pur zufälligen und doch flächendeckenden Erhebung aus dem Jahr 1985 wird erschreckend deutlich, wie viele Ängste die Pastorinnen und Pastoren gegenüber den Konfirmandengruppen in den Unterricht tragen. Diese Erhebung hatte zum eigentlichen Zweck, die Konfirmanden genauso flächendeckend nach ihrer Einstellung zu befragen „heute ist Dienstag, gleich um 15 Uhr ist Konfer, was denkst du?!“ - Die selber Frage wurde auch allen Rel.Päds und unterrichtenden Geistlichen gestellt – der 100%-Rücklauf war durch KU-Gruppe und Kirchenkreis-Konferenz geradezu garantiert. Die Angst der Pfarrstelleninhaber korrespondierte mit dem Frust der Konfirmanden wegen der vergeudeten Zeit – auch bei den Gruppen der Rel.Päds. In allen Kirchengemeinden gab es zum Zeitpunkt der Erhebung bereits neue Formen des KU, bis hin zu ganz neuen KU-Modellen. Keine der Gruppen war über 20 Personen stark, teilweise wurde bereits per Team gearbeitet.

Zu diesem Zahlenwust passt auch die erschreckende Antwort auf die Frage kurz nach der Konfirmation, die in einer der Gemeinden über mehrere Jahre hinweg den Konfirmierten bei einem Treffen gestellt wurde. Das Treffen war „freiwillig“, Teilnahme ca 50% der Konfirmierten des Jahrganges (immerhin) – die Standartfrage lautete: Was würdest du am Konfer ändern, so wie Du ihn erlebt hast? - Neben vielen Einzelvoten, die durchaus hilfreiche Hinweise enthielten, kam in jedem Jahr auch der vehement vorgebrachte Vorwurf: „Nicht so viel auswendig lernen!“ - Und nun bitte genau „hinlesen“! In dieser Kirchengemeinde gibt es seit 1967 kein „Auswendiglernen“, keinerlei Memorierversuche mehr. Zwanzig Jahre später aber steckt der Schrecken noch in den Köpfen von jungen Menschen, die es nicht kennen können!

Welchen Wert hat beim Blick auf das bis jetzt gesagte der Konfirmandenunterricht?

In eine kirchlichen Ordnung zum Konfirmandenunterricht heißt es wörtlich:

    Art. 56. 1 Die Konfirmationsfeier ist ein Gemeindegottesdienst.
    2 Die Konfirmation nimmt das Ja Gottes auf, wie es in der Taufe zum Ausdruck kommt. In der Konfirmation bittet die Gemeinde für die Konfirmandinnen und Konfirmanden um den Segen Gottes. Die Konfirmation lädt zu verantwortlichem Christsein und zur Teilnahme am Leben der Kirche ein.

    Art. 77. 1 Jugendliche von zwölf Jahren bis zur Konfirmation werden auf der Suche nach einem mündigen Glauben und nach einem Leben in christlicher Verantwortung begleitet.
    2 Die verbindlichen religionspädagogischen Module für Jugendliche von zwölf Jahren bis zur Konfirmation umfassen mindestens 72 Stunden.

    Art. 78. 1 Voraussetzung für die Konfirmation bildet der Besuch der verbindlichen religionspädagogischen Module für Kinder und Jugendliche sowie des schulischen Religionsunterrichtes.
    2 Es ist die Regel, dass die Konfirmandinnen und Konfirmanden getauft sind.
    3 Die Konfirmation erfolgt in der Regel am Ende der obligatorischen Schulzeit.


So viele Illusionen in so wenigen Sätzen, das schreit gerade zu danach, zum Nachdenken aufzurufen.

Welchen Gemeindegottesdienst erfährt ein junger Mensch heute, ab wann, wo und wie (bedenken wir allein die minimal 30% zerrissenen Familien) – Von welchem Leben der Gemeinde soll gesprochen werden, wenn es da die Eventgemeinde, dort die Leuchtturmgemeinde, oder die Diakonische Gemeinde gibt. Kirche ist an größeren Orten längst ein Patchworkangebot wie in den großen Einkaufspalästen in der Innenstadt oder am Stadtrand.
Verantwortliches Christsein, wo kann es mit erlebt werden, wenn die Vorbilder bei einer Ganztagsschule plus 90 Minuten Schulbusfahrten nicht wirklich verfügbar sind. - Was ist zwischen der Geburt und dem 12ten Lebensjahr mit dem Sein als getaufter Heide?

    “Der Konfirmandenunterricht ist für viele unter uns Pfarrern die Stelle in ihrem Amtsleben, wo uns dessen Not und Drangsal am unausweichlichsten begegnen. ... Hängt es vielleicht damit zusammen, dass wir in unseren Unterrichtskindern in einem ganz anderen Maße, als es bei unseren wohlgesitteten, mehr oder weniger eifrigen Kirchgängern der Fall ist, ein Stücklein Welt vor uns haben, unsortierte, ungesiebte Welt, Gassenwelt, Lehrlingswelt, Welt wachsender Erotik und beginnender Flegeljahre? ... Manch einer, der am Sonntag auf seiner Kanzel von Sieg zu Sieg eilt oder jedenfalls zu eilen meint, eilt in der Woche in seinem Unterrichtszimmer von Niederlage zu Niederlage.” (Thurneysen, E.: Konfirmandenunterricht. Ein Kapitel aus der praktischen Theologie. In: Wolf, E.(Hg): Das Wort Gottes und die Kirche. Aufsätze und Vorträge. München 1971, 117-139, hier 117f.)

Obwohl bereits 1925 auf dem Berner Pfarrertag zu Gehör gebracht, spricht Eduard Thurneysen wohl auch 2009 vielen kirchlich Mitarbeitenden aus dem Herzen, wenn sie an die wöchentlichen Begegnungen mit den Kindern und Jugendlichen denken.

Die aktuelle Situation hat sich im Blick auf das kirchliche Leben nur noch verschärft, aber nicht mehr wirklich verändert.

Seit ca.1970 wird erkennbar und seit ca. dem Jahr 2000 flächendeckend eine Konfirmandenzeit als Konzept angeboten, die religionspädagogischen Grundsätzen gerecht werden. Die zu beobachtende Kompetenz der „Unterrichtenden“ ist zur Zeit noch auf einem erstaunlich hohen Niveau (die Stellenplanung wird hier demnächst vieles – viel zu vieles verändern). Die Bereitschaft der Kirchenvorstände (Bitte regional entsprechende Termini verwenden) ist erstaunlich hoch, sich auf neue Wege einzulassen. Allein diese Fakten zusammenzufahren und daraus eine Folgerung abzuleiten, kommt aber scheinbar der biblischen Sintflut nahe und man flüchtet sich in untaugliche Archen (Plural)!

Aber wer sind die, denen das Angebot gilt und wer sind die, die diese Angebote auch annehmen? Da tun sich von Kerngemeinde bis Zufalls“gästen“ alle Varianten der kirchlichen Sozialisation auf.

Eine weit verbreitete Gemeinsamkeit scheint zu sein: Konfer = Schule. Da helfen weder veränderte Sitzordnungen, auch nicht im geringsten an Schule erinnernde Räume.

Zu beobachten ist ebenso, dass die jungen Menschen guten Willens, vorgeprägt durch Kindergottesdienst, Pfadfinder uä. spätestens nach vier Monaten sich in die Emigration verziehen, und den in ihrer religiösen Unorientiertheit dominierenden Gleichaltrigen das lauthals erkämpfte Feld überlassen.

Die aktuelle Situation wird außerdem maßgebend bestimmt von der unverantwortlichen Situation in der Deutschen Schullandschaft, die mit „Kraut & Rüben“ noch zu positiv umschrieben ist. Die Folge davon sind ein Leistungsdruck von Schule und Elternhaus auf die Kinder, der schon 9jährige in das planende und strategische Denken von Erwachsenen zwingt und zwängt und ihnen die Zeit des Kindseins raubt. - Damit einher geht die zunehmende Verweigerung, sich persönlich einzubringen. (Minimalbeispiel: für ein Projekt der Konfirmanden, aus deren eigener Initiative, ist es nahezu nicht mehr möglich auch nur kleine Teams zu bilden, die sich drei vier Mal zu Vorbereitungen treffen.) Gleichzeitig bringen die zerteilten Familien das Drama mit sich, dass die mühsam aufeinander abgestimmten Familienkalender eines einzigen Konfirmanden nur sehr schwer in das angeblich zu starre Konzept der Konfirmandenzeit integriert werden kann. - Der Fluchtversuch innerhalb größerer kommunaler Bereiche, sich mit längeren Konfirmandenfreizeiten zu behelfen, wird mit dem Fernbleiben wieder anderer bezahlt, die in Einzelfällen noch nach Ausweichangeboten in anderen Gemeinden suchen – aber zumeist ganz die Kirchengemeinde aus dem Blick verlieren (wenn sie diese überhaupt schon im Blick hatten!) - Im ländlicheren Bereich versagen solchen Versuche schon an den viel zu geringen Zahlen.

Selbst im Rahmen der KU4-Projekte knirscht es erheblich. Die erforderlichen Teamer für das erste Jahr sind nicht unbedingt davon überzeugt, dass sie auch zu ihrem Wort stehen müssen, die sie für den begrenzten Zeitraum zugesagt hatten. Zu kleine Gruppen werden lieber auf die „Nachbarschhaft“ - nächste Kirchengemeinde – verschoben, damit wird neben einem ökologisch fragwürdigen Mehraufwand auch die wachsende Bindung zur Kirchengemeinde gefährdet. Im Bereich der Projektjahre zeigen sich in einer Gemeinde erhebliche Defizite eines altersgemäßen Angebotes („da kann man halt nichts machen!“) und in einer wieder anderen Kirchengemeinde ist zu beobachten, dass gesellschaftliche Schwerpunktveränderungen das Gefüge in den Angeboten terminlich aus den Angeln heben (innerhalb von zwölf Monaten musste in einem Fall das Gesamtkonzept zweimal neu koordiniert werden, weil der Gesamt-Stundenplan dreier großer Schulzentren sich änderte. Was vielfach aber erst durch das Nicht-Erscheinen der Konfirmanden bekannt wurde. Weder die jungen Menschen, noch deren Familien informierten das zuständige Pfarramt.


In dem 2005 in seinen Vorlaufstufen gestarteten Projekt KU2010 erlebt eine Kirchengemeinde nahezu all die klassischen oben genannten Minus-Muster wieder, obwohl das Konzept im Ansatz überaus reizvoll und vor allem schlüssig erscheint, den Spagat zwischen Zeitgeist und Konfirmation dennoch zu schaffen. Dieses Konzept geht davon aus, dass Kinder mit der 5ten Lebensjahr von ihren Familien (Eltern) angemeldet werden, sich „auf den Weg“ zu begeben. Ein Weg in das Leben als glaubender Mensch. Eine Etappe auf diesem Weg kann(!) die Taufe sein, kann(!) die Konfirmation sein. Es ist der Weg dieses einen jungen Menschen. Die Eltern müssen versprechen, (auch gemäß dem Taufversprechen) ihr Kind auf diesem Weg angemessen zu begleiten (immer wieder Rückfrage der Eltern: wie sollen wir das machen? .. Immer wieder einzige Antwort „immer dann für das Kind da sein, wenn es Sie braucht!“) - Die Gemeinde will ihr Versprechen (ebenfalls in einem Teilsatz der Taufhandlung zum Ausdruck gebracht) halten und entsprechend ausbauen, in dem sie für die Kinder und für die Familien (zielgruppen- und altersorientiere) Angebote macht – von der Kindergruppe und dem Kindergottesdienst über das Gemeindefest und die Gemeindefahren, Seminare und Konzerte usw. - Wenn das Kind sich auf diesen Weg begibt und Schritte (Punkte) sammeln möchte, wird dieses in einer Mappe des Kindes daheim (und im Pfarrbüro) notiert. - Frühestens im Spätsommer vor dem 14ten Geburtstag kann der junge Mensch sich überlegen, ob für ihn die Konfirmation das nächste Zwischenziel sein soll. Sind dann mindestens 90 Punkte (Schritte) vorhanden, gibt es die gewünschte Einladung zu einer knapp sechsmonatigen Gruppenvorbereitung auf die Konfirmation.
Ab 2010 wird es in dieser Gemeinde keines der üblichen Konfirmandenangebote mehr geben. Dagegen sind die Angebote bis zum 13ten Lebensjahr ausgeweitet worden und werden so aufeinander abgestimmt, dass ein junger Mensch sich in einem (intern!) sehr klaren Themenrahmen mit seinem Temperament und mit seinem Intellekt, aber auch mit seinem engen oder weiten Kalender einbringen kann, für immer mal wenige Tage im Jahr oder auch mal für ein langes Stück immer im selben Kreis...

Bereits 2008 gab es die Beobachtung, dass der Start mit dem 5ten Lebensjahr genau richtig angesetzt war (ein späterer Zugang ist immer möglich). Das sogenannte Punktekonto war bei einigen Kindern so schnell gefüllt, dass sie verzweifelt fragten „und was mache ich jetzt?“ (welcher Konfirmand fragt das nach zwei Jahren?)

Die reale Härte ist aber auch hier (noch?) nicht gewichen. Wenn Kinder von ihren Eltern zu den Gruppen, Veranstaltungen u. Projekten getrieben werden und diese Kinder sich im falschen Film wähnen; wenn Eltern (keine Einzelfälle) mit einer riesigen Liste in der Hand auftreten und nun kontrollieren wollen, ob „die Kirche“ auch alles genauso aufgeschrieben habe, wenn ab der 5ten Klasse genau wieder Schule den Zeitraum des Tages eines Kindes zerfrisst und die jungen Menschen dann froh sind schon „genug Punkte“ zu haben. - Einerseits war dieser sie entlastende Moment vom Konzept her absolut gewollt, doch eine mehrjährige Abkehr sollte es nun auch nicht bedeuten. Und wieder wird gefeilscht.


Mein Votum darum: Streichen wir die Konfirmandenzeit.

Inzwischen haben schon erste Menschen kapiert, dass selbst Kirche mit der Konfirmation nicht wirklich was anfangen kann. Denn wer nicht konfirmiert ist, hat welchen Nachteil – bitte sehr, welchen? Die Trauung kann nicht verwehrt werden, die Taufe des Kindes nicht, selbst bei der Patenschaft (noch so ein Reizwort!) spielt Konfirmation faktisch keine Rolle; Welcher Kandidat muss zur Kirchenwahl seine Konfirmation nachweisen? Und in den pfarramtlichen Zeugnissen habe ich schon lange keinen Hinweis auf das Konfirmationsdatum mehr gesehen.

Und wenn wir uns endlich trauen, das ungeliebte Kind ins Archiv zu verbannen, dann nutzen wir bitte sehr unsere neu verfügbaren Kräfte und bieten Wegbegleitung als Gemeinde an – vielseitige und vielfältige Wegbegleitung; so hoch qualifiziert unsere Personalen ausgerüstet sind, ist es nahezu eine Sünde, wie wenig diese Qualifikationen zum erfolgreichen Einsatz gebracht werden können.

Und möchte ein Mensch (welchen Alters, ab 14 Jahren) mehr als nur mal eben dann und wann dabei sein, dann laden wir ihn ein, mehr aus sich zu machen, helfen ihm beim Qualifizieren, geben ihm mit Handauflegen von Gottes Segen ab und lassen ihn so sein Konfirmation viel realistischer erleben.


Begonnen: 12. Juni 2009 vorläufiger Abschluss: Hannover, 6. Januar 2010

 

Sammlung "Geh Schichten" - (C) Christel Pruessner, Hannover 2009/2010