GEH SCHICHTEN

 

"Wir mussten uns kennenlernen"

Wir mussten? - Ja, wir mussten! - Gibt es eigentlich schon eine Sammlung der Geschichten von Paaren, wie sie sich kennen lernten ohne zu ahnen, dass es ein langer gemeinsamer Weg werden könnte?

Monika lebte Ende der 1960er Jahre in Stadthagen und ich arbeitete als Praktikant in dem kleinen hessischen Städtchen Alsfeld. Ziel meiner Ausbildung war noch immer Leitungsarbeit in der stationären Altenpflege (Heimleitung oä.). Darum sollte ich dort die Arbeit eines Heimleiters praktisch kennenlernen. Daran anschließend war vorgesehen, auch den pflegerischen Bereich hautnah zu erfahren, also die Facetten der gesamten Arbeit zu erfassen. Ohne jede Vorkenntnis von statioäre Arbeit ist man als Praktikant wenig hilfreich; darum vermittelte mir meine Fachschule einen Kursus beim Roten Kreuz, der nach Theorie und Praxis (in einem Krankenhaus) aus mir eine(!) "Schwesternhelferin" machen sollte.

Als Zielort wurde mir nach Hessen übermittelt sei Hildesheim vorgesehen!

In Stadthagen wollte Monika auch einen Schritt weiter kommen in ihrem Arbeitsleben und ihr dortiger Arbeitgeber empfahl ihr aus praktischen Gründen ebenfalls dringend, solch einen Schwesternhelferinnenkursus zu belegen, auch ihr wurde eine Platz in Hildesheim  vermittelt.

Nix da, erstens kommt es anders und zweitens gibt es auch noch andere nette Städte auf diesem Globus. Warum auch immer, Hildesheim meldete überrachend kurz vor Toresschluss, dass die Kapazitäten überreizt sein und der Landesverband des DRK habe für den selben Zeitraum noch Platz in Hannover. Mir war das sehr recht, denn so hatte ich nicht das Problem der Quartierbeschaffung. Mir stand nämlich als externes Monster kein Übernachtungsplatz zu, wie für die "Frauen", von denen man ja mehr oder wenig deutlich erwartete, dass sie sich anschließend in einen entsprechenden Hilfe-Diensteinsatz begeben würden. - Die gleich Meldung erreichte auch Monika: Nix Hildesheim, aber Platz ist noch in Hannover und Übernachtungsmöglichkeit gleich am Kursusort in der Jugendherberge.

Zweiundvierzig anerkannt weibliche Menschen standen auf der Liste und ein offenkundig männlicher Student mit sehr weiblichem Vornamen. Den Dozenten brachte das kurze Zeit Verwirrung, aber was soll's, Kursus ist Kursus und Thema ist Thema, wenn denn sonst alles klar geht, sollte ihnen das auch irgendwie egal sein.
Die vielen Frauen konnten zusammen gewürfelter nicht auf einem Spielfeld zu platzieren sein, zweischen 18 und 55 Jahren, Wohnorte zwischen Elbe und Harz und Grafschaft und Wendland, Mutter u. Tochter, Solisten und ehelich gebundene, Quaselstrippen wie absolut stille... dennoch eine fröhliche Gesellschaft. Während die Frauen sich nach den Krusstunden am späten Nachmittag auf den Weg in die Stadt machten, ging ich zu meinem Job, um etwas Kleingeld dazu zu verdienen, denn 50 Mark "Ausbildungsbeihilfe" waren auch damals schon sehr wenig Geld, und manchmal brachte so ein Job schon mehr Geld an einem Abend. Dennoch wäre es damals zu fies mir selbst gegenüber gewesen aus meiner eigenen Einstellung, diese wirklich erfrischenden Kursteilnehmer nicht auch mal außerhalb von strenger Sitzordnung und langweilig gestalteten Referaten und Übungen zu erleben. Wir verabredeten uns als eine kleine Clique von sieben acht Leuten und zu einem Treff in einem Weinlokal in der Altstadt - die Idee kam an. Es gab noch ein solche Treffen und noch eines... vier Wochen sind schnell um. Aber was Monika und ich nicht wussten, wir waren schon längst ein Paar, das erfuhren wir Wochen später auf Umwegen, jede  für sich. Dabei muss ich auch heute noch bekennen, ich habe so ein schlechtes Namensgedächtnis schon immer, dass ich mir eigentlich nur Menschen (dann aber dauerhaft) einprägen kann, mit denen mich etwas nachhaltiges verbunden, das kann etwas schönes genauso sein, wie etwas ärgerliches! Aber bei den meisten aus dem Kursus hatte ich echt Probleme mit den Namen. Meine Gedanken lagen zu der Zeit aber auch wirklich ganz wo anders. Am alten Praktikumsort hatte ich ein tolles Team zurück gelassen und uns war damals schon klar, dass wir uns wohl alle eher nicht wieder sehen, und so telefonierten wir anfangs noch oft (ich hatte die kostenlose Chance in meinem wichtigsten Job, das häufiger tun zu können) Und die Treffen mit den Leuten aus dem Kursus waren eine gute Möglichkeit auch auf andere Gedanken zu kommen. Und dann war der Kursus vorbei. Ich bekam einen neuen Praktikumsplatz in einem Altenpflegeheim in (kein WItz) Alfeld an der Leine. Wieder ein tolles Team. Aber auch die kleine Weinstuben-Clique wollte ich nicht sang und klanglos einfach so aufgeben. Es begann ein Briefkontakt in alle Richtungen. Noch im  Jahr 2010 besteht eine solche briefliche Verbindung zu einer Frau in Ostfriesland

 

Sammlung "Geh Schichten" - (C) Christel Pruessner, Hannover 2009