GEH SCHICHTEN

seit dem 2.1.1968 bin ich zur Ausbildung im Stephansstift. Es beginnt mit einem Praktikum im Pflegeheim

 Die Interpunktion entspricht
der Vorlage

Brief an ein 18jähriges Kind - an mich

    Abschrift – Abschrift – Abschrift – Abschrift – Abschrift – Abschrift – Abschrift – Abschrift –
    Namen von Personen und Orten wurden anonymisiert 

    Allerstadt den 14.1.1968

    Lieber Christel!

    Wir grüßen Dich und hoffen alle, daß es Dir gut geht. Augenblicklich ist es Sonntag 12.30. Wir hatten Neuschnee und das am heutigen Sonntag. Was das heißt, kannst Du Dir denken, ja? Ich übernehme alle Wege zu unseren Häusern und Pappa die Straßenseiten. Schüppen war heute mein Gottesdienst.

pro Woche gab es damals im ersten Jahr einen halben freien Tag  und einmal im Monat ab Samstagmittag bis Sonntagabend. Der Dienstplan wurde restriktiv über sechs Wochen im Voraus erstellt. Und da hatten die Praktikanten keinerlei Mitsprache-möglichkeit.
„Dein Lohn ist, dass Du darfst!“ (O-Ton des Heimleiters)

    Du könntest getrost mal schreiben und uns mitteilen wann Du freie Tage hast. Es wäre auch gut, wenn ich wüßte wann Du die Freistunden hast falls ich nach dort käme. Nun mein Junge eine Bitte, wir brauchen dringend eine Bescheinigung von dort, darüber, daß Du Praktikant bist. Sonst bekommen wir kein Kindergeld mehr. Es geht um die normale Zahlung 50DM. Frag Frl. Müntner, sie gibt sie Dir vielleicht schon.Hast Du dich schon an den Dienst gewöhnt und hast Du jetzt Hilfe beim Tragen? Kommst Du zum nächsten Wochenende? Bringe dann alle schmutzige Wäsche mit, dann bekomme ich es sauber bis Sonntag. Wenn Du sonst was brauchst, schreib es Dir vorher auf.

Die zuerst genannten Personen waren Freundinnen meiner Mutter, die sie während des II.Weltkrieges in dieser Einrichtung kennengelernt hatte.

    Hast Du schon mit Fräulein Meier, Tante Hanna, gesprochen oder Helmi, für Dich Fräulein Sauer, gesehen? Sag bei Gelegenheit "Guten Tag". Am 31.Januar bin ich bei TanteOlga, sie hat Geburtstag.

    Wenn Du dann den freien Tag nehmen kannst,komm an dem Tag auch her. Ja, Christel, denk an die Bescheinigung und laß Dich herzlich grüßen Deine Mutti

    Pappa läßt grüßen, Deine Schwestern auch

 

 

    Liebes Bruderherz!

    Heute ist Sonntag und ich möchte Dir ein paar Grüße senden. Wenn Du heute gekommen wärst, brauchte ich jetzt nicht zu schreiben. Geht es Dir gut? Wir gehen gleich zu Grasners zum Kaffee. Sie haben eine ganze Menge Cremetorte von Herrn Grasners Geburtstag. Den Ansturm von Deinen Briefen hält der Briefkasten nicht mehr lange aus, darum möchte ich Dich bitten, Deine Schreiblust etwas einzudämmen. Du verstehst - Hast Du dich inzwischen gut eingelebt? In der Schulen haben wir eine Feierschicht eingelegt. Richter-Schulz ist krank, und wir genießen das Leben mit vollen Zügen. Du hast sicher genug zu tun. Wenn Du einmal nicht soviel Arbeit hast, denk mal an uns und schreib mal.

    Herzliche Grüße
    Deine Schwester

 

 

Sammlung "Geh Schichten" - (C) Christel Pruessner, Dersenow 2014

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