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        herausfordernde Zeiten + Einsamkeit


         

         

        Es sind zwei Stichworte, die mich dazu verleiten, auf Brief-Zeilen vom April 2025 näher einzugehen.

        Da lese ich in einem Brief von „herausfordernde Zeiten“ – Nun, ich habe viel „Zeit“ mich mit Stichworten und Gedankenanstößen vertiefend auseinander zu setzen („in meinem Herzen bewegen“). Richtig ist, wir leben in einer Epoche, die uns erschrecken lässt. Und dann beginn meine erste Frage: Wann begann diese Epoche?

        Erst im November 2024 oder im Winter 2022, oder 2018, oder 2014 oder oder? – in meinem Reflektieren lande ich dann wieder bei der deutlich geäußerten Angst meiner (seltsamen) Eltern, 1962, die Sorge vor dem III.Weltkrieg, Kuba-Krise. – ich war 12 Jahre alt, wir lebten in einer kleinen Kreisstdt zwischen Hameln und Hannover. Politik war nicht das Ding unserer Generation – in der einen Illustrierten (Stern oder Quick), von den Eltern gekauft, wurden per Luftaufnahmen lange Röhren auf Schiffen gezeigt… Atomraketen… Wir lernten in der Schule, dass bei einem Atombombenabwurf man sich auf den Boden legen sollte, eine Aktentasche über den Kopf halten… (kein Witz!) – ich verstand nichts, erkannte aber, die Angst der Eltern wurde von den Lehrern geteilt.

        Dann 1967, inzwischen wohnten wir in Wolfsburg, der Sechs-Tage-Krieg der Israelis. Ich gehörte in der "Arche" zu dem kleinen Kreis des damit beginnenden Friedensgebetes an jedem Freitagabend, es war erstaunlich gut besucht. Und die Gespräche waren aus der Sicht der CDU kommunistisch orientiert; es gab sogar eine Aktion des Staatsschutzes gegen den federführenden Pastoren - Friedenspredigt war scheinbar von Grundauf verdächtig, zersetzend, weil man bei ihm entsprechende Literatur aus der „sogenannten DDR“ vermutete. – ich springe… dann in Hannover 1983 der legendäre Kirchentag mit den lila Tüchern; ich erinnere mich an den langen DEMO-Zug ua. am Maschsee entlang zur Innenstadt und der ganze Weg bewacht mit schwer bewaffneten Polizeikräften… - Dann die sogenannte „Wende“ – aus meiner Sicht waren die führenden Mächte wie erschüttert, auf allen Seiten (auch in Bonn) nahezu Schockstarre, Handlungsunfähigkeit. „Keiner hatte mit dem Frieden gerechnet!“ (meine Formulierung bitte sehr) – und ganz schnell wird einigen klar, das kann nicht gut sein, - Es funktioniert nur ein Leben und Denken in Konfrontationen; es fehlten schon da auf dem Globus die besonnenen Köpfe. Das Vakuum wird mit neuen nationalistischen Fronten gefüllt. - - In den 1990er Jahren wird aufgedeckt, dass dieser Globus nach Kuba noch mindestens zwei Mal haarscharf an einer militärischen Nuklear-Katastrophe vorbei geschrammt ist – selbst hier 25km (in Hagenow) von unserem Haua entfernt auf dem Gelände des Sowjet-Standorts wurden die mobilen Raketen-Startrampen gefechtsbereit bereitgestellt und mit Atomwaffen bestückt - 80km bis Hamburg; die Fehldeutung eines Radarbildes… - - Wir nehmen scheinbar unberührt die kriegerischen Handlungen auf dem Balkan hin, selbst die Bombenabwürfe sind kaum eine Aufregung wert…

        Wann also begann die Epoche der herausfordernden Zeiten?

        Ist es nicht vielleicht nur das hübsch funktionierende Rezept von „panem et circenses“ – Hauptsache viel „...wetten dass?!“ und wir sind mit dem gut gefüllten Kühlschrank, einen flotten Auto vor der Tür und jedes Jahr mindestens eine Urlaubsreise nach „möglichst weit weg“ zufrieden?

        Und nun erkennen wir: Eine Grenze ist erreicht. Unsere gemütliche Couch-Ecke in der schönen heilen Welt weiß hinter sich nur wacklige Wände. Gefahren von allen Seiten, und wir zeigen mit der zitternden Hand auf die ausgemachten Schuldigen. Und wir erkennen nicht mal mehr im Ansatz unseren persönlichen Anteil an dem Geschehen. – Wir reden da und dort von einer Gemeinschaft und mögen nicht zugeben, dass uns die Gemeinschaft eigentlich sowas von egal ist: Genau genommen ist ein Donald T. dabei nur die personifizierte Darstellung. - Er kündigt schlimme Dinge an, dafür wird er gewählt, dann setzt er sie um, dafür wird er von den Selben gescholten, weil er die Falschen treffen würde – und sie merken nicht, dass er nie an ALLE gedacht hat sondern eigentlich nur an sich.

        Für mich ist dabei interessant: Gandhi, M.L.King, ja vielleicht sogar J.F.Kennedy, J.Rabin, hatten einen gewaltigen Fehler: Ihnen ging es um ALLE FÜR ALLE.

        Nun kommt zu den ohnehin schon ausreichenden Themen auch noch das „Klima“ – im Himmels-willen. Wenn man es nicht leugnen mag, dann stehen sie ratlos da!!

        Wann also begann die Epoche der herausfordernden Zeiten? - Wir haben unseren Auftrag für die Gemeinschaft auf diesem Globus einfach nicht wahrgenommen, und erkennen ihn als die Satten in zu großer Zahl noch immer nicht. - Flüchtlinge, Hunger, Kriege, Armut, Epidemien… das „wir sind nicht für ganze Welt zuständig!“ tönt aus erstaunlichen Mündern. – Ich staune: sogar aus den Mündern derer, die das christliche Abendland und die christlichen Grundwerte verteidigt sehen wollen. – Wie damals in Jerusalem: Die Massen wollen den Leisetreter getötet sehen – und dann geschieht Ostern im ganz kleinen – kaum WAHR-nehmbar, die Teilhabenden eher verwirrend.

        Einsamkeit – Dieses Thema lässt mich im Blick auf die Gesellschaftspolitik den Kopf nachdenklich schief halten. – GB und JAP haben ihre speziellen Ministerien – selbst unser Landkreis fühlte sich im vergangenen Jahr zu kleinen Strohfeuern angestupst. – An einer Stelle las ich dazu: „Je mehr der Staat den Bürgern bei allem und jedem hilft, umso mehr macht er sie unfähig, sich ab und zu selbst zu helfen.“ – Kann es sein, dass wieder mal eine Projektsau durch unsere Zu-Vielisation. durch unsere Lande gejagt wird. Aktionismus die Geld verbrennt und der irgendwann im Staub des Vergessens und ohne Ergebnisse untergeht?

        – Ich schweife zur Verdeutlichung mal kurz ab. 2024 erreichte mich in meinem SHG-Wirken mal wieder eine eMail, bei der ich mich fragte, warum ausgerechnet ich in den Verteiler geraten war; denn der Inhalt passt nicht mal gequält zu meinem Status. Ich recherchierte dann den Absender und kam aus dem Staunen nicht heraus. – Daraufhin verfasste ich einen Bericht, den ich der KISS in Schwerin als mein Nachdenken übersandte. Meine Essens: Wie viel Geld versandet eigentlich in dem an der Front auf jeden Fall lohnenden Selbsthilfegedanken schon an den Schreibtischen von Interessensverbänden? Mit dem Ergebnis, dass vermutlich um 50% allein schon auf dem Weg zur Selbsthilfe in der Struktur per Personalkosten und Infrastrukturen futsch sind. – Du ahnst gar nicht, wie viele Verbände da agieren. – Offenbar traf ich mit meinem Brief den Nerv des Leitungsteams und prompt fragten sie mich, ob der Text in im Quartalsmagazin abgedruckt werden dürfe – was dann Ende des Jahres auch geschah.
        https://kiss-sn.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/Selbsthilfejournal/Journal/HDS_2024_12_selbsthilfe.pdf Seite 17

        Und nun wieder die Einsamkeit. Unser Landkreis lud zu einer anonymen Briefaktion ein. Man wollte nette Briefgrüße einsamen Menschen zukommen lassen. – Aua aua. – Unser Landkreis lobte kleine Belohnungen aus für besonders herausragende Projekte gegen die Einsamkeit. – Nehme ich mal die „größeren“ Städte Parchim, Boizenburg, Hagenow, Wittenburg, Zarrentin und Ludwigslust aus der Liste heraus, dann leben in unserem Landkreis (210.000Ew) mehr als der Hälfte der Menschen in Räumen mit 21 Menschen auf 1qkm. - - Der Anteil der Rentenempfänger ist erstaunlich hoch, der größte Teil der Arbeitsplätze liegt in Hamburg und seinem Speckgürtel, Lüneburg und Lübeck. Das heißt: Über Tag ist in den kleinen Orten wirklich nichts los, auch weil keiner was losmachen könnte. – Hier bei uns im Unterdorf (etwa 130 Einwohner) stehen zwei Pflegedienste jeden Tag bei sieben Adressen mindestens 1x am Tag einen Einsatz auf dem Plan… und bei sechs der Adressen benötigen die Pflegekräfte auch den Hausschlüssel, weil sie sonst gar nicht ins Haus gelangen könnten. Und das ist jetzt die Einsamkeit bei der ich ahne, an die ist nicht einmal „von oben organisiert“ gedacht.

        In der Nachlese zur heißen Corona-Zeit wird noch heute über die sogenannten Quarantäne-Zeiten gesprochen. Und man entdeckt endlich über die vielen jungen Menschen (Schüler:innen), wie einschneidend es sich auf einen Menschen auswirken kann. - - 1973 fragte mich bei einem Geburtstagsbesuch die Jubilarin in Wilkenburg: „Sagen Sie mal, kann man das Sprechen verlernen?“ – warum? „Sie sind seit 14 Tagen, der erste, mit dem ich spreche!“ – alle 14 Tage kam die Tochter von Hannover herüber mit den Einkäufen, die für 14 Tage reichen sollten, und so konnte die Mutter sich in ihrem Haus, dass sie nach dem Krieg dummerweise mit einem Halbkeller bauten und das darum nur per Treppe verlassen werden kann… - - Die Einsamkeit ist unsichtbar. Und sie wird so unterschiedlich aus der persönlichen Situation heraus beschrieben oder gar nicht eingestanden.

        Und ich bin mir sicher: Die Politiker:innen, die das Thema auf einmal entdeckten, plappern nur irgendeinen Kram nach, den sie nicht mal im Ansatz verstehen. – Kannst Du Dich noch nach den Herrn Barzel erinnern? Da gab es im April 1972 gleich mal eine sprachliche Entgleisung, die wohl nahezu alle wieder vergessen haben. Er wollte doch damals unbedingt Kanzler um die Ecke herum werden. Dafür hatte er sogar auf seinen fetten CDU-Posten verzichtet, um ganz Kanzler sein zu können… Doch es gab zunächst erste Abgeordnete, die die Fraktion verließen und schließlich stimmten weitere CDU-Abgeordnete für W.Brand, die Barzel damit den Spaß verdarben - und nichts wurde aus dem Traum. Tagsdrauf stelle sich nach meiner Erinnerung Biedenkopf vor die Mikrophone und verkündete, dass man nun „auch in der CDU einen Sozialfall“ habe. – Es wird gerne (von allen Parteien) mit sozial-eingefärbten Bildern geworben und Stimmung verbreitet… und das macht durchaus auch sauer, weil in Wirklichkeit spricht das entweder für die fehlende Einsicht zum Thema oder es ist der Versuch der Schokolade ums Maul.

        Das Thema Einsamkeit interessiert in Wirklichkeit nur Menschen mit einem wachen Blick in ihrer nächsten Umgebung. – und ich denke, das kann es auch nur sein. Wir nehmen wahr und reagieren oder wir unterlassen. Die Einsamen melden sich eher gar nicht.

        Die Jerusalemer Gemeinde kannte damals schon die Erfordernis der sozialen Intervention. Die Versorgung der Witwen schafften die Apostel nicht mehr und übertrugen diese Aufgabe an von der Gemeinde benannte vertrauensvolle Personen [ich verzichte hier mit Absicht auf die männliche Rolle, weil es mehr und mehr umstritten ist, dass es sich (nur) um Männer handelte]. – Damals verstand sich Gemeinde als eine Gemeinschaft derer, die sich gegenseitig kannten und im Blick hatten. - - Davon sind wir heute Welten entfernt – und das zu reformieren wird nicht mehr möglich sein; zumal wir sogar vorhandene Strukturen verhungern lassen oder brutal zerstören. [dabei setzt ein D.Trump mit den veranlassten katastrophalen Streichungen dem Ganzen nur wieder die Krone auf].

        Vielleicht steckt in dem Niedergang der Firma(!) Kirche die Chance, dass die Christen in ihrer nächsten Umgebung wieder mehr die Aufgabe als Auftrag entdecken, den Nächsten in den Blick zu bekommen. – Entlastet von tausenden von Hindernissen und besserwissenden Strukturen.

        Ostern war kein Massen-Ereignis und nach meiner Art, die Evangelien zu lesen, aufzunehmen, kann ich nur entdecken: Ein Jesus war kein Freund der Massen. Und das aus Erfahrungen bis zu seinem Tod. Wichtig ist ihm erkennbar die ruhige Begegnung gewesen. Er mochte erkennbar nicht den überschäumenden Aktionismus, sondern ihm lag am Beisammensein im Kreis von Vertrauten. – Ostern müsste wieder in die Häuser getragen werden: Mir schwebte schon einmal vor, am Gründonnerstag anzufangen mit einem gedeckten Tisch und dazu eine kleine umrahmende und in Etappen vorgehende leichte Liturgie – im Kreis von geladenen Nachbarn am Gründonnerstag – und dann vielleicht folgenden Jahr gibt es für den Ostersonntag einen zweiten gedeckten Tisch – und wer weiß, wie sich das entwickelt. Wenn dazu das „Pfarramt“ mit Interessierten die Liturgie erarbeitet und so in die Häuser trägt… - - Die aktuelle Situation erwartet, dass die Gemeinde sich in ein Auto setzt. – Das macht sie aber nicht. – Kennst Du mein SüdtirolBeispiel? Da konnte ich von 1973 bis 1985(/91) einen radikalen Wandel beobachten. Dieser Wandel vollzog sich dort in rasanten Tempo, das gleiche geschah in Westdeutschland nach dem II.Weltkrieg schon früher aber wahrlich schleichend und dann nach und mit der „Wende“ ergänzte sich das Bild kaum reflektiert um weitere Aspekt. - - Die Firma „Kirche“ hat zu lange am Dogma festgehalten, sie sei da allein-seligmachende in der Gesellschaft und dann haben die Verantwortlichen viel zu spät den Kopf aus dem Sand gezogen und was sahen sie? – nein, nicht die Einsamen, nicht die Gebeugten, die Armen, die Kranken. => Veranstaltungen, große Pläne, tolle Gebäude, hübsche Plakate. – Innerhalb der Firma wurde dieses Nachdenken als pures Gift angesehen. Wie oft hörte ich den Satz „Das schadet der Volkskirche!“ – Dabei lief das wirklich schädliche Programm längst auf breiter Front. – Und nun steht man vor dem Scherbenhaufen und weiß nicht mal mehr, wie man den ökologisch geregelt entsorgen kann.

        Kannst Du Dir vorstellen, dass ein Priester darauf besteht, dass sich gefälligst nun auch auf dem Sterbebett kein Abgesandter der Diözese bei ihm blicken lassen brauchte, wenn es während der Monate zuvor im Krankenbett nicht für einen Besuch reichte, nun kurz vor seinem Sterben nun auch nicht mehr. – Kannst Du Dir vorstellen, dass er schwerkranke Pastorin kurz vor ihrem Tod verfügte, dass kein Abgesandter ihrer Landeskirche bei der Trauerfeier das Wort erheben solle… - die Pfarrstelleninhaberin (welch ein tolles Wort) hier in unserer Doppelgemeinde (800 Gem.Glieder) habe ich seit 2019 leibhaftig nicht mehr gesehen. Dafür bekommen wir aber neben dem Gemeindegruß 2x im Jahr einen absurden Bettelbrief zugesandt. – Und nun erfahren wir zum zweiten Mal (!!!), dass diese Pfarrstellen-Inhaberin auf einen Verwaltungsposten der Landeskirche wechselt, im Pfarrhaus weiterhin wohnen wird, aber nicht mehr für das Pfarramt verantwortlich – das wird nun mit einem anderem Doppel-Pfarramt zusammengelegt…Soll ich nun noch einmal mit dem Stichwort „Einsamkeit“ beginnen.

        Wir binden lieber die Kapazitäten an den Schreibtischen!

        Vermutlich ist es die Summe von vielen solcher radikalen Veränderungen im sozialen Gefüge, die uns schon einige Zeit von herausfordernden Zeiten sprechen lassen. Vielleicht müssten wir mal zum Innehalten gezwungen werden (wie auch immer!) aber dann steht an der nächsten Ecke schon jemand und ermahnt uns, doch bitte für Umsatz zu sorgen. – Wir sitzen im falschen Schnellzug.

        Könnte das sein?

         

        Sammlung "Geh Danken" - (C) Christel Pruessner, Dersenow 2025)



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