Was ich damit schon immer sagen wollte!

Redensarten

Chr.-Fritz Prüßner
Hannover, 1999

Dieser Abdruck ist nicht korrigiert!



 
 
 
 
Inhaltsverzeichnis

 
 

Was ich damit schon immer sagen wollte! *

Mensch und Natur im Widerstreit *
Oder: Ick bin jerührt wie Appelmus!

Die "Eintracht" bestellt ihr Haus *



 

Literaturnachweis:

Krüger-Lorenzen "Deutsche Redensarten – und was dahinter steckt"
VMA-Verlag Wiesbaden, 1960

A.J. Storfer "Wörter und ihre Schicksale"
Verlag "fourier", Wiesbaden 1981

Hansel Weigel "Die Leiden der jungen Wörter – ein Antiwörterbuch"
dtv-Taschenbuch 1976

Leo Sillner "Gewußt woher, Handbuch der Herkunft deutschsprachiger Wörter und Redensarten."

Deutscher Bücherbund Stuttgart, 1973

Mackensen, "10.000 Zitate, Redensarten, Sprichwörter"
Verlag Werner Dausien, Hanau, 1981

Kriminalmuseum Rothenburg o.T. "Rechtssprichwörter und sprichwörtliche Redensarten mit rechtlichem Inhalt"
Rothenburg, 1992
 
 
 
 
 
 

Diese Broschüre entstand im Zusammenhang mit einem Referat in der Gruppe "Männerwerk" Eldagsen am 5.2.1999 – Eine Vervielfältigung des Textes ist nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Autoren gestattet.
© Chr.-Fritz Prüßner – postfach 3024 – d-31821 springe









Was ich damit schon immer sagen wollte!

Redensarten
 
 

  1. "Was ich Schwarz auf Weiß besitze, das kann ich getrost mit nach Hause tragen" richtig und so wollte ich es heute auch "halten", wenn ich mich allein auf meinen Kopf verlassen wollte, - also gibt es für mich als Hilfe ein Konzept.

  2. Aber schon dieser Hinweis auf das Wort auf Papier ist ja eine Redensart, dazu noch eine recht prominente. Sie stellt ein Zitat dar und stammt aus Goethes "Faust" (1790).
  3. Redensarten haben einen Hintersinn. Sie fassen in scheinbar kurzen Worten eine Lebenserfahrung zusammen und damit schwebt in den Redensarten oft genug auch so eine Art Erfahrungsgesetz mit.

  4. Wahrscheinlich ist dieser Satz aus Goethes Feder schon aus viel älterer Zeit, denn wenn man sich in unserer Sprache ein wenig umhört, dann finden wir ihn in abgewandelte und sogar strengerer Form wieder, wenn es zum Beispiel heißt: "Schwarz auf Weiß behält seinen Preis" – oder in der niederdeutschen Mundart: "Wat schrift, blifft!". Und erkennbar wird, daß hier von einer Art Vertrag die Rede ist, auf das, was geschrieben wurde, kann ich mich verlassen, berufen. Und wie weit das reicht, wird aus einem Sprichwort erkennbar, das schon unsere Umgebung verlassen hat: "Schwarz auf Weiß redet noch, wenn’s niemand mehr weiß." Obwohl diese Redensart kaum noch Gebrauch findet, so müssen wir doch immer wieder feststellen, wie wirklich diese Erkenntnis ist. Längst vergessene Schandtaten werden beim Sichten von scheinbar harmlosen Archiven auf einmal sichtbar und dem noch lebenden Übeltäter zum Verhängnis, ein längst vergessenes Testament wird nach 190Jahren (wie vom Erblasser vorgesehen) geöffnet und zur Wohltat für viele Menschen, die in Armut leben.
  5. Und wenn es sich bei dem ersten Beispiel noch um relativ leicht erkennbar Bezüge handelt, so gibt es in unserem Sprachschatz durchaus auch Redewendungen, die scheinbar ein Geheimnis in sich bergen. In einem Gemeindegruß entdeckte ich in den 70er Jahren bei der Liste der Gottesdienste folgenden Satz: "Die Prediger des jeweiligen Sonntags hängen am schwarzen Brett aus." – das kann einem schon mal passieren. Aber das schwarze Brett ist ja ohnehin verbreitet. Aber woher kommt es – selten genug ist es ja wirklich schwarz. Im Mittelalter gab es in einigen Teilen des heutigen Deutschlands die juristische Vorgehensweise, daß im (oder auch: am) Rathaus eine schwarze Tafel hing, Auf dieser Tafel wurden die Bürger notiert, die sich zum Beispiel einen Tadel eingehandelt hatten. Auch Strafverfahren wurden an einigen Orten auf diesem Brett öffentlich gemacht. – Da auch gleichzeitig Register geführt wurden, in denen diese Notizen "auf ewig" festgehalten" wurden, nannte man sie das "schwarze Buch" oder auch das "schwarze Register". Bis in unserer Zeit hat sich dieser Begriff bewahrt, wenn zum Beispiel aus welchem Anlaß auch immer ein "Schwarzbuch" zu einem bestimmten Themenkomplex herausgegeben wird; gewissermaßen eine Klageführung.
  6. Redensarten haben einen weiteren Zweck. Sie sollen in einer scheinbar stenografischen Wortwahl, verpackt in bildreichen Worten einen komplexen Umstand beschreiben und auf die zu erwartenden Folgen hinweisen. Es wird dann davon ausgegangen, daß jeder das gewählte Bild versteht und sich alles andere selber ausmalen kann.

  7. Wer von uns ist nicht schon mal jemandem (versuchsweise) "auf’s Dach gestiegen", ohne daß er Schornsteinfeger oder Dachdecker ist. Ich gebe gerne zu, daß ich selber überrascht war, als ich erfahren mußte, daß sich dahinter ein mittelalterlicher Rechtsbrauch erkennen läßt. Wenn in einem Ort jemand lebte, der es mit aller Gewalt darauf anlegte, sich mit allen Menschen um sich herum anzulegen und damit für Unfrieden sorgte, dann wurde ihm tatsächlich ein Verfahrten "an den Hals gehängt" (schon wieder eine Redensart), und nach festgestellter Schuld, stieg man ihm auf’s Dach und im günstigsten Fall wurde das Dach "nur" abgedeckt. Wenn er es zu arg getrieben hatte, war das nur der Beginn für den kompletten Abriß des Hauses.
    Ein interessanter Nebenzug entwickelte sich im Blick auf die Ehe-Führung. So konnte es einem Ehemann passieren, daß man Ihm auf’s Dach stieg, weil er sich von seiner Frau schlagen ließ.
  8. Selbst das "an den Hals gehangen" bekommen, ist wieder ein Hinweis auf den Umgang in der Rechtsprechung. Es war eine von vielen kleinen entwürdigenden Strafen, wenn man einem alten Lästermaul eine oder zwei Glocken an den Hals hing. Für eine bestimmte Zeit mußte dann diese klobige und damit sehr lästige Schmuck in der Öffentlichkeit getragen werden. Bei jeder Bewegung bimmelte es und jeder in der Stadt wußte, mit was für einer Person er es hier zu tun hatte. In Deutschland ist dieses "etwas an den Hals hängen" noch bis 1945 vorgekommen; besonders im Zusammenhang mit den Verfolgungen bei sogenannten "Rassevergehen" und während des Krieges bei "wehrkraftzersetzenden Straftaten" mußten die Delinquenten Schilder mit sich tragen, auf denen ihre Verfehlung geschrieben stand.
  9. Über das tatsächliche Alter von einzelnen Redensarten gibt es wohl niemals wirkliche Gewißheit. Wie auch, wir müßten nur einmal uns selber aus der Distanz beobachten und zuhören dürfen, wir könnten feststellen, daß dann und wann uns Erkenntnis kommen, die wir in Worte zusammenfassen. Kleine "Aha-Erlebnisse", und wenn es ein kurzer griffiger Satz ist, dann prägt er sicb bei uns ein, vielleicht übernimmt ihn einer unserer Mitmenschen und so zieht er seine Bahn, aber wie oft wiederholen sich auf der Erde solche Aha-Erlebnisse und darum kann es eben auch vorkommen, daß mir dann jemand auf meine Entdeckung entgegnet, das haben schon die alten Römer gewußt: Denn wenn Sie "den Nagel auf den Kopf treffen" konnten, dann ist das zwar keine besonders stolze Leistung, sollte man meinen, aber bereits um 200 vC. wird diese Redensart in einem Lustspiel aufgeschrieben. Oder wem ist eigentlich in unserer Sprechwelt bewußt, wieviele der Redensarten und Sprichwörter (Spruchweisheiten) ihren Beleg schon im Alten Testament haben. Nicht jeder ist eben eine Taufbauarbeiter, der "anderen eine Grube gräbt!", aber es kann auch diesem passieren, daß "er selber in diese Grube fällt" (Sprüche 26,27). – Wobei die Wurzel dieser Spruchweisheit ganz interessant ist. Heute müssen wir an die Tiefbauarbeiten und den Bergbau denken. Im Mittelalter waren es vielleicht die Abfallgruben. Aber gehen wir noch viel weiter zurück, dann kommen wir durchaus bis in den Bereich der Jagd.
  10. Aber durchaus auch aus ganz anderen Lebensbezügen entwickelten sich die Redensarten und wenn man sich dann ihren Ursprüngen nähert, wird einem auch der Ernst bewußt, der sich hinter den Worten eher deutlich als verschwommen erkennen ließ. Wir "hören heute ja eher die Engel im Himmel singen" und meinen damit ziemlich genau das Gegenteil, wenn einem die Zahnschmerzen mal wieder voll auf den Nerv gehen. Doch geht man dieser Bemerkung nach, dann kommt man wieder in das Mittelalter mit seinen Stadtmauern und ähnlichen Befestigungen. Und dazu gehörten dann auch die Stadtmusikanten und die Nachtwache oder der Nachtwächter. Bei Gefahr mußten sie die Bürger alarmieren und das so wirkungsvoll wie irgend möglich. An vielen Orten wurden die Stadtmusiker auch "Stadtpfeifer(ei)" genannt und wenn sie aufspielten, dann sprachen die Menschen nicht vom "spielen", sondern vom "pfeifen". Und so hörten damals die Menschen in den Städten "das Pfeifen der Engel vom Himmel" und es war vielleicht schaurig anzuhören, aber es war ihnen gewissermaßen die Chance zur Abwehr von Gefahr. – Daß unser Körper mir den Schmerzen ähnliche Signale ausposaunt, wird dann auch erst wieder bewußt – Schmerzen nicht als Gemeinheit oder Zumutung, sondern als Warnung!
  11. Fein verborgen bleiben manch merkwürdige Redewendungen, weil ihr Ursprung in einem tatsächlich recht engen Zirkel zu suchen ist. Und doch, wenn man’s nach der Entdeckung genau bedenkt: "Genau – richtig!" – Wie oft haben wir in den unterschiedlichsten Zusammenhängen schon vom "Schema F" gesprochen. Wenn ich jetzt noch von der "Ablage P" spreche, dann bezieht sie sich nicht unbedingt auf meinen Familiennamen, sondern auf den Papierkorb. Was ist ein Schema – genau genommen ein Formular, ein Vordruck, eine vorgeschriebene Art. Und so ist es auch mit dem "Schema F", ursprünglich wurde von dem "Formular F" gesprochen und dieses Formular gab es tatsächlich, denn in ihm wurde geregelt, wie die preußischen Soldaten einen Frontbericht (Rapport) zu verfassen hatten.
  12. Doch auch in Sachen Humor bleiben in den Redewendungen einige Geheimnisse. Wie es dazu kommen konnte, daß wir manchen Menschen nachsagen, sie hätten "einen Schalk im Nacken", bin ich nicht all zu weit gekommen. Die Bedeutung ist klar, denn wir beschreiben dann damit einen Menschen, der einen immer wieder überraschenden Humor hervorbringen kann. Daß dieser Schalk da und dort auch "auf der Schulter" sitzt, erschwert die Suche nach der Erklärung nicht, aber hilft eigentlich auch nicht weiter. Denn das Bild beschreibt ja eine Außenwirkung, die man diesem Menschen zuschreibt. Der Humor wird ihm zugeflüstert. Die Berliner Schnauze hat das dann ja mir "dem kleenen Mann im Ohr" noch auf die Spitze getrieben! – Vielleicht ist es ein Bild von dem Hofnarr, das hier mehr spöttisch eingebracht wird...
  13. Auch Fehleinschätzungen lassen sich in Redewendungen entdecken. Wenn es zum Beispiel heißt, daß der Sowieso gestern Abend "alles durch den Kakao gezogen" hat, dann will das ja soviel besagen wie: Der Sowieso hat entweder nicht alles ganz ernst genommen oder er hat alles durch den Dreck gezogen, schlecht gemacht. Vielleicht liegt es daran, daß Kakao eine lange Zeit zwar ein wertvolles Produkt aus der fernen anderen Welt war, aber seine braune Farbe und in flüssiger Form als undurchsichtiges Getränk mehr eine mindere Bedeutung bei den meisten Menschen hatte. Lange Zeit war es ja auch als ein angeblich harmloses Kindergetränk im Gebrauch... Und dann der angeblich schmutzige Kindermund nach einem guten Schluck... Was gemeint sein soll, mit dem "durch den Kakao ziehen" wissen wir wohl, aber keiner würde es in Wirklichkeit tun.
  14. Ein makabres Wort – viel benutzt in der letzten Zeit – ist mir aufgefallen, wenn von den Fußballspielen die Rede ist, bei denen mit vielen "Schlachtenbummlern" zu rechnen sei, oder daß diese unangenehm auf sich aufmerksam machten – Das hat es schon im Deutsch-französischen Krieg 1870/71 gegeben – man muß sich das mal vorstellen: Zivilisten gingen in die Front und sahen dem "Treiben auf dem Felde" zu – wie nennt man das eigentlich heute? Fernsehzuschauer würde sich anbieten und die Sache wunderbar treffen – wer weiß, vielleicht wird man dieses Wort in 100 Jahren auch so ungewohnt wieder finden, wenn es um dann anstehende Sportereignisse geht!
  15. Was ist eigentlich aus dem Deutschen Michel geworden? Seit einiger Zeit ist er – so scheint es – kein Gesprächsthema. Warten wir es ab, wann es wieder so weit ist. Und woher kommt diese urteutsche Nationalfigur?

  16. Gab es ihn? – Nnnnjein!
    Eigentlich nicht? Denn am Anfang dieses Wortbildes stehen zwei Zufälligkeiten. Im Mittelalter wurden ganz viele Kinder auf den Namen Michel getauft, der sich ableitet von "Michael" und in seiner hebräischen Übersetzung soviel heißt wie: "wer ist gleich/wie Gott" (und damit auch: "Er kommt Gott ganz nahe!"). Im Mittelhochdeutschen bedeutet das Wort "michel" aber auch "Stark" und "Groß" (Städtenamen!). Dann kommt dazu das häufig selbst überschätzte Gefühl der Stärke und Macht der (selten sich einigen) Deutschen. Und so kam bald von Außen das erste Mal mehr spottend das Gegenbild zu dem starken Michel, von dem etwas verträumten schläftigen Typen mit der Zipfelmütze. Auch von innen bekam die Karikatur mehr und mehr eigenes Leben, als zum Beispiel 1541 ein gewisser Sebastian Franck schrieb: Ein rechter dummer Jan (Dummerjan) der teutsch Michel. Bis dann im 17ten Jahrhundert für lange Zeit sich dieser Titel mehr in eine Ehre zu verkehren beginnt. Der damals als Held verehrte Reiteroberst Hans Michael von Obentraut (Denkmal in Seelze), der im 30jährigen Krieg große Erfolge für die Truppen der Union erzielte (und dann selber 1625 ums Leben kam) macht mit seinem Namen diese Kehrwende aus, damals wird sogar vom "Michael Germanicus" gesprochen. Ab etwa 1848 wandelt sich das Bild dann wieder hin zu einer Karikatur.
  17. Leicht schmunzeln mußte ich, als ich mich einmal auf die Suche nach der Bedeutung des netten Satz machte, in dem es um das merkwürdige Wort "Schlawittchen" geht; "Jemanden am Schlafittchen fassen" besagt ja zunächst einmal, ihn festhalten, auch bei der Festnahme kann diese Redewendung in der Umgangssprache (selbst bei heutigen Richtern) wieder gefunden werden. Und ehrlich, bis zu der Entdeckung der Bedeutung habe ich dieses merkwürdige Wort auch immer wieder falsch geschrieben – mit "w" – Und dann die Reise zu der Bedeutung: Dem Schlafittchen fehlt ein Buchstabe, das "g" denn richtig hätte sich durchsetzen müssen als "Schlagfittchen", und damit wird die Verniedlichung des Schlagfittichs – des kleinen Flügels schneller erkennbar. Wer mit Geflügel auf seinem Hof zu tun hat, hat die Gans oder das Huhn sicherlich schon mal am Schlaffitich gefaßt. Damit wäre ja eigentlich schon alles klar – wenn da nicht auch noch diese seltsamen Rockschösse wären, bei denen man ja auch "Flügeln" spricht und da kann man dann auch zufassen.
  18. Wenn im Rat wieder mal eine Verhandlung ausgegangen ist wie das Hornberger Schießen, dann sollte man sich einmal das schöne Hornberg im Schwarzwald vor Augen führen. Hoch über der Stadt die alte Burg. Ein enges Tal, zwei noch engere Seitentäler. – Da soll folgendes geschehen sein:
  19. Der Herzog von Schwaben hatte seinen Besuch angekündigt; und die Hornberger übten das Böllerschießen so sehr, daß sie kein Pulver mehr hatten, als der hohe Herr wirklich kam..

  20. Das ist die eine Variante, und wie wäre es mit der folgenden?
  21. Auch in ihr kommt der Herzog zu Besuch, Späher sollen sein Ankommen rechtzeitig den Bürgern melden, damit man sich gut und pünktlich auf die Ankunft einstellen kann und die Böller rechtzeitig abfeuern kann. Aber die Späher hatten wohl einen eher getrübten Blick und meldeten immerfort andere Wagen, als die des Herzogs, also gab es immer und immer wieder vergeblichen Salut und als er dann endlich kam – war nichts mehr da, das Pulver war verschossen. (Schon wieder eine Redwendung)

  22. Aber nicht genug mit dieser Variante, Hornberg eignet sich scheinbar für mehrere Überlegungen, somit hier eine weitere Version des Geschehens:
  23. Die Hornberger veranstalteten ein Preisschießen Schützenfest würden wir sagen oder noch konkreter in Eldagsen: Freischießen. Für das Fest wurde viel Aufwand betrieben und sehr viele Gäste eingeladen. Und dann begann das Fest und das Schießen sollte angehen, und dann war kein Pulver da, man hatte es vergessen.

  24. Nein, keine falschen Befürchtungen, das Hornberger Schießen kann auch ganz anders ausgegangen sein, zum Beispiel auf diese Art und Weise:
    Es gab Krieg zwischen Villingen und Hornberg, die Hornberger aber schossen dabei so schlecht, daß sie sich ergeben mußten.
  25. Worauf die Redensart wirklich zurück geht - wollen nicht einmal die Hornberger wissen, denn alle haben sie etwas für sich und wenn es noch weitere Varianten geben sollte, man wir sie dort gerne einbürgern. So klein der Ort zwischen Villingen und Offenburg ja sein mag, aber man kennt ihn und wenn man auch nie so recht weiß, was man mit dem Ausgang des Hornberger Schießens ausdrückt – vielleicht ist es ja genau das Hornberger Schießen.
  26. Nun sollten wir aber allein wegen der vielen Sprüche nicht zu schnell den Kopf verlieren – schon wieder so eine Redensart, die es in sich hat. Daß es sich dabei um einen wahrlich makabren Hintergrund handelt, wird sich wohl jeder inzwischen denken können. Mit ist nicht bekannt, seit wann es zu den allseits beliebten Grausamkeiten unter den Menschen gehört sich gegenseitig den Kopf abzuschlagen, aber allein schon die Vielzahl der Varianten läßt ahnen, welche zwiespältige Gefühle damit in dem angesprochen werden (sollen), wenn es heißt, Paß bloß auf, daß Du Dabei nicht "Deinen Kopf verlierst".
  27. Wie bunt aber auch im Blick auf unseren Kopf die Redensarten sind, wird deutlich aus den Zeilen des "Briefes eines empörten Ehemannes an den Verehrer einer Frau

  28. "Sehr geehrter Herr! – Ich muß Ihnen heute einmal energisch den Kopf waschen! Ich zerbreche mir schon tagelang den Kopf und es will mir einfach nicht in den Kopf hinein, warum Sie sich eigentlich in den Kopf gesetzt haben, meiner Frau den Kopf zu verdrehen. ; ausgerechnet Sie, dem doch schon der Kopf durch die Haare wächst! Ich weiß, meine Frau ist von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt. Aber Sie können sich auf den Kopf stellen, ich werde es nicht dulden, daß sie beide die Köpfe zusammenstecken. Man tanzt und trampelt mir auf dem Kopf herum, und jetzt wird mir auch noch auf den Kopf gespuckt. Das macht mich ganz kopflos! Wie können Sie mich überhaupt so vor den Kopf stoßen? Ich muß Ihnen wohl erst einmal den Kopf zurechtrücken, denn sie scheinen mit dem Kopf durch die Wand zu wollen. Aber sie haben allen ernstes vergessen, daß ich nicht auf den Kopf gefallen bin. Meiner Frau habe ich bereits auf den Kopf zu gesagt: "Ich will dir wegen dieser Sache nicht gleich den Kopf abreißen", habe ich ihr gesagt, "aber diesen Kerl schlag Dir mal aus dem Kopf!" Nun sitzt sie da mit einem dicken Kopf und läßt den Kopf hängen. Ihnen aber, mein Herr, rufe ich allen ernstes zu: Es geht um Ihren Kopf, - verlieren Sie nicht den Kopf, sondern ziehen Sie schnellstens Ihren Kopf aus der Schlinge. Sie werden sich sonst den Kopf einrennen und dann sitzen Sie da mit einem Kopf, wie ein Feuermelder, - so rot! – ich aber, merken Sie sich das, behalte den Kopf oben, denn Gott sei Dank: Ich habe Köpfchen!
  29. Ganz aktuell hörte ich kürzlich, wie ein gewisser Kurz Felix ("Versteckte Kamera" u. "Verstehen Sie Spaß?") von sich sagte: er habe eigentlich die Idee mit dem Lockvogel von ihm stamme. Ich konnte ihn nicht fragen, wie wörtlich er das meint. Aber bereits im Buch Sirach– also in unserer Bibel wird dieses merkwürdige Tier in Gestalt einer schönen (jungen) Frau eingesetzt und genauso benannt; Leere Versprechungen und das Wecken von Begehrlichkeit waren schon damals ihre Aufgabe – wie heute die Lockvogelangebote der Geschäftswelt. Und dabei ist die Jagd nach den Kunden ziemlich das gleiche Ziel - wie früher das Ziel des Jägers war, eine fette Beute mit einem getürkten Vogel zu erzielen.
  30. Und wie schnell man aus einem Mißverständnis eine Regel werden lassen kann, wird in der scheinbar ganz und gar klaren Redewendung "Die beiden stecken unter einer Decke" deutlich! – Deutlich ist das Wort schon – aber es hat zwei Gesichter:

  31. - das eine von heute: Die drei da stecken unter einer Decke! Sie bilden eine Art Komplott, die haben ein gemeinsames Geheimnis, an die ist schwer ranzukommen...
    und das andere aus älteren Zeiten, und wieder sind wir in der Welt der Juristen gelandet, nämlich bei der Eheschließung. Das war in alten Zeiten ja nicht unbedingt ein Akt der gegenseitigen Zuneigung und der eigenen Willensentscheidung der beiden zukünftigen Eheleute, sondern da mischten ganz andere Personen sehr verantwortlich mit. Erst wenn über die beiden zu Vermählenden die Decke gelegt wurde, sie also "unter der Decke steckten", dann waren sie mit einander rechtlich verbunden. Und dieses taten sie nicht von sich aus, sondern es wurde von anderen getan.

    Und weil wir grad bei der Ehe sind...

  32. Wie es das überhaupt mit den Pantoffelhelden, oder wenn jemand unter dem Pantoffel des anderen steht? – Es ist ein Bild, das in den Bereich der Ehe und Lebensgemeinschaft gehört, soweit hat sich eigentlich nichts geändert. Nur heute stellen anderen nach einer gewissen Zeit der Beobachtung fest, die oder der steht unter dem Pantoffel dieses oder jener. – Abgeleitet wird dieses Bild aber von einem der vielen seltsamen Hochzeitsbräuche vergangener Zeiten: Jeder der beiden Gatten hatte ein Paar Pantoffel an, und es galt für bei, dem anderen seinen eigenen Pantoffel aufzustellen. Wer dem anderen zuerst "auf den Fuß getreten" hatte, der galt als Sieger ("Pantoffelheld") und damit war dem unterlegenen vorausgesagt, daß er nun zeitlebens unter dem Pantoffel des anderen stehen würde.

  33. Ob diese Weissagung aber einen sicheren Wert darstellte, wird doch sehr in Zweifel zu ziehen sein.
  34. Einen größeren Verlaß stellt es dar, wenn "jemand auf Nummer Sicher" gesetzt wird. Wer macht das nicht gerne, auf Nummer Sicher setzen... – Aber Vorsicht, diese Redensart besagt eigentlich nichts anderes, als jemand ins Gefängnis gesteckt wird, an dessen Türen Nummern prangen und der Aufenthaltsort für die Bürger als recht sicher angesehen wurde. – Vor dem da drinnen war man sich für gewisse Zeit sicher.
  35. Zu den Redensarten gehören aber auch die, die genau genommen nichts ausdrücken wollen, als nur ein Gespräch aktivieren wollen oder im Fluß halten sollen. Dabei sind Verblüffungseffekte durchaus zu erwarten und genau das ist dann der Motor für das Gespräch. Wenn es zum Beispiel in einer (X-beliebige) Mundart heißt: "Das is‘ ja wohl’n feiner Kerl, näch, und Beene hatta, bis auf die Erde!"
  36. Wie sehr sehr Höflichkeitsformen zu Redensarten geraten sind oder geraten können, wird vielleicht deutlich, wenn folgende Szene nachempfunden wird:

  37. Hugo ist in großer Eile und dabei unachtsam. Dabei rempelt er eine Person an, die darum an einer Hausecke derart anstößt, daß es einen nachhaltigen Schmerz verursacht. Hugo hat diese Folge seiner Unachtsamkeit mitgekommen, geht auf die Person zu und sagt freundlich "`schuldigung! – ich habe sie gar nicht gesehen!" was durchaus zutreffen wird, und Hugo setzt noch eine höfliche Frage nach: "Hat’s denn weh getan?" – Will er wirklich eine ehrliche Antwort erhalten, er sieht, doch wie die Person sich die Schulter hält und den Schmerz damit sogar lokalisieren kann. Aber auch die geschädigte Person ist sehr höflich und antwortet: "Nein, Danke, es geht schon!" offensichtlich ist das nicht ganz die Wahrheit, und gegenseitig ist der Höflichkeit Genugtuung widerfahren. Nun aber setzt Hugo noch einen drauf und will ganz der Lustige sein: "Schade aber auch!" – Es dauert bei Männern sehr lange bis diese merken, daß hier gegen die Form gehandelt wird. Und Hugo kann schon zehn Schritte weitergegangen sein, da merkt die ramponierte Person erst, daß hier jemand über ihren Zustand einen lockeren Scherz machen wollte.
    Ihren Wert erhält die Abfolge der Redensarten erst durch die komplette und verläßliche Abfolge der Satzfragmente.
  38. An dem Beispiel läßt sich aber auch darstellen, wie leer inzwischen manch der Redensarten geworden ist. Wie oft wird im Alltag schlicht "´schuldigung!" gesagt, und gemeint war ursprünglich: "Ich bitte Dich darum, daß Du mich entschuldigst, mir die Schuld erläßt, abnimmst!" – aber dazu wird dann überhaupt keine Chance gegeben, weil doe Kontrahenten sich in den meisten Fällen schon längst wieder aus dem Blick verloren haben.
  39. Eine ähnliche Beobachtung kann der machen, der als Abschiedsgruß nicht das allseits beliebte "Guten Tach noch!" oder in der etwas ausführlicheren Form: "Ich wünschen Ihnen einen guten Tag!"

  40. sondern wenn stattdessen eine eigenständige Wortwahl getroffen wird, wie zum Beispiel: "Ich wünsche, daß es für UNS ein schöner Tag wird!" – Allein das "schöner Tag" wird gehört und schon resoniert der Gegrüßte mit großer Wahrscheinlichkeit: "Ich Ihnen auch!" – Redensarten haben eben ihre eigene Dynamik und sie setzen gegenseitig voraus, daß die gewählten Kürzel gegenseitig verstanden und akzeptiert werden. Und wehe ich tanze aus der Rolle: "Können Sie mir sagen, wo es zum Bahnhof geht?" – "Ja!" und weg ist der Befragte – was nun?
  41. Und wie furchtbar manche Redensarten in ihren Formulierungen ich anhören oder sogar auswirken, wird besonders in unserer Zeit deutlich, in der die Überschwemmung mit Informationen viel vom Leser und Hörer abverlangt – ob immer das richtige ankommt, muß bezweifelt werden. Auch wenn es immer und immer wieder so geschrieben wird, es wird damit nicht wahrer: "Der Krieg in Jugoslawien forderte bislang so und so viele Todesopfer!" – Der Unsinn dieser Behauptung liegt auf der Hand, aber er wird einem nicht mehr bewußt, weil das mitgeteilte Grauen gar nicht die Zeit dafür beläßt. Als wenn das Subjekt "Krieg" "Forderungen" in Form von Todesopfern formuliert hätte. Deutlich wird, daß die Verantwortung der Krieg hat – nicht der Mensch, die Menschen.
  42. Ähnlich verhält es sich dabei mit den verniedlichenden Redewendungen – bleibe ich beim "Kriegshandwerk" – wenn bis heute davon die Rede ist, daß ein Soldat gefallen ist. Wenn Zivilisten in der gleichen Auseinandersetzung getötet wurden, dann wird es so zum Ausdruck gebracht. – Trotzdem weiß jeder, was gemeint ist, wenn solch ein Unsinn ausgesprochen wird.

  43. Wieviele Menschen wurden in den vergangenen Jahren "freigesetzt", und nicht einfach gekündigt...
  44. Es gibt in unserer Zeit aber auch Redewendungen, die sich vollkommen unreflektiert aus einer Halbinformation entwickelt haben. Wer von uns würde auf den Gedanken kommen und sagen, "Da mußte ich doch gestern tatsächlich erst von Martin bis Luther gehen, um meine Papier zu erhalten!" – aber wieviele Menschen gehen jeden Tag von Pontius zu Pilatus – vielleicht kommen deshalb so wenig auch wirklich ans Ziel?


Wenn Redewendungen sich gegenseitig beissen...

Mensch und Natur im Widerstreit
Oder: Ick bin jerührt wie Appelmus!

Dunkel war’s der Mond schien helle
schneebedeckt die grüne Flur,
als ein Wagen blitzeschnelle
langsam um die Ecke fuhr.
Drinnen saßen stehend Leute,
schweigend im Gespräch vertieft,
als ein totgeschossner Hase
auf der Sandbank Schlittschjuh lief.

Und ein blondgelockter Knabe
mit kohlrabenschwarzem Haar
saß auf einer grünen Banke,
die rot angestrichen war.
Neben ihm ´ne olle Schrulle
so von 16, 17 Jahr
in der Hand ´ne Butterstulle,

die mit Schmalz bestrichen war.

Draußen war es, in der Stuben,
singend sprach die Maid zum Buben:
Holder Engel, süßer Bengel,
vielgeliebtes Trampeltier,
Augen haste wie Sardellen,
alle Ochsen gleichen dir!

Hier die Antwort, könnt ihr’s wähnen,
die er gab mit trocknen Tränen:
Ich bin jerührt wie Appelmus
und flüssig wie Pomade,
mein Herz schlägt wie ein Pferdefuß
in deiner linken Wade!

(Berliner Straßen-Poesie)

In dem nachfolgenden Bericht aus dem Innenleben eines Vereins sind 32 Wortbilder und Redewendungen versteckt, die bereits in der Bibel zu finden sind



Bitte suchen, und unterstreichen
Die "Eintracht" bestellt ihr Haus
Eine Bericht unserer Korrespondenten Harry Hirsch

In der Vorstandssitzung des Fußballvereins "Eintracht" gehen die Wogen hoch. Wegen des schlechten Tabellenplatzes der Mannschaft will die Mehr der Vereinsleitung den Trainer in die Wüste schicken. Daß er zum Sündenbock gestempelt wird, überrascht den Mann jedoch so, daß er zunächst einmal zur Salzsäule erstarrt. Dann stellt er sich der Kritik. Er könne nicht zu allem, was ihm vorgeworfen werde, Ja und Amen sagen. Eine ganze Anzahl der Vertragsspieler sei mehr auf Nebenverdienste konzentriert als Training und Leistung im Spiel. Bei diesem Tanz um Goldenen Kalb stünden ihm als Mannschaftsbetreuer die Haare zu Berge.

Der Vorstand macht dem Trainer darauf den Vorwurf, er wolle seine Hände in Unschuld waschen. Wenn der Coach sich auf Herz und Niere prüfe, dann müsse er in Sack und Asche gehe. Der Trainer sollte sich doch viel stärker um die einzelnen Spieler kümmern, ja, sie wie seinen Augapfel hüten.

Der Attackierte lenkte nun ein, weil er merkt, daß Unnachgiebigkeit gegenüber dem Vorstand ein zweischneidiges Schwert ist. Er versichert unverzüglich einen neuen Versuch unternehmen zu wollen, um der Elf wieder inneren Auftrieb zu geben. Er will als Trainer nicht der Stein des Anstoßes sein. Auf Treu und Glauben gibt nun auch der Vorstand nach.

Am nächsten Tag gibt es ein Gespräch zwischen Spielern und Trainer. "Ich möchte nicht wie bisher tauben Ohren predigen", sagt er zu ihnen. "Mit Brief und Siegel gebe ich es euch, daß es so weiter bergab gehen wird. Wenn vor allem die Sturmspitzen und der rechte Flügel nicht Himmel und Erde in Bewegung setzen, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als die Spreu vom Weizen zu trennen. Den ständigen Meckerern muß ich ganz klar sagen: `Wer Wind sät, wir Sturm ernten.´ "

Vor allem die angesprochenen jüngeren Spieler nahmen sich den Denkzettel zu Herzen, während einige der bewährten Stammspieler sich ins Fäustchen lachten. Es passierte ihnen nie, daß sie ihr Licht unter den Scheffel setzten. Und was den Vorstand des Vereins betraf, zogen es die altgedienten Spieler vor, zu ihrem Trainer zu halten, getreu der Devise: "Niemand kann zwei Herren dienen."

Im nächsten Punktspiel zeigte sich, daß die Mannschaft die Zeichen der Zeit erkannt hatte. Keinem Spieler konnte man den Vorwurf machen, er habe in beiden Halbzeiten sein Pfund vergraben. Auch die Zuschauer trugen ihr Scherflein bei, so daß der doppelte Punktgewinn allen in bester Erinnerung blieb. Der Trainer diente seiner abgekämpften Elf wie ein barmherziger Samariter. Nach dem Spiel, in der Kabine, waren sie wieder ein Herz und eine Seele.

Es war den Spieler also gut bekommen, daß der Trainer mit Menschen- und mit Engelszungen geredet hatte. Dem Vorstand fiel es wie Schuppen von den Augen, er erkannte die Wurzel alles Übels: Man muß in Auseinandersetzungen seine Zunge im Zaum halten und darf auf niemand den ersten Stein werfen.

© Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart, 1982







DIE LÖSUNG

Die "Eintracht" bestellt ihr Haus
Eine Bericht unserer Korrespondenten Harry Hirsch

In der Vorstandssitzung des Fußballvereins "Eintracht" gehen die Wogen hoch. Wegen des schlechten Tabellenplatzes der Mannschaft will die Mehr der Vereinsleitung den Trainer in die Wüste schicken. Daß er zum Sündenbock gestempelt wird, überrascht den Mann jedoch so, daß er zunächst einmal zur Salzsäule erstarrt. Dann stellt er sich der Kritik. Er könne nicht zu allem, was ihm vorgeworfen werde, Ja und Amen sagen. Eine ganze Anzahl der Vertragsspieler sei mehr auf Nebenverdienste konzentriert als Training und Leistung im Spiel. Bei diesem Tanz um Goldenen Kalb stünden ihm als Mannschaftsbetreuer die Haare zu Berge.

Der Vorstand macht dem Trainer darauf den Vorwurf, er wolle seine Hände in Unschuld waschen. Wenn der Coach sich auf Herz und Nieren prüfe, dann müsse er in Sack und Asche gehe. Der Trainer sollte sich doch viel stärker um die einzelnen Spieler kümmern, ja, sie wie seinen Augapfel hüten.

Der Attackierte lenkte nun ein, weil er merkt, daß Unnachgiebigkeit gegenüber dem Vorstand ein zweischneidiges Schwert ist. Er versichert unverzüglich einen neuen Versuch unternehmen zu wollen, um der Elf wieder inneren Auftrieb zu geben. Er will als Trainer nicht der Stein des Anstoßes sein. Auf Treu und Glauben gibt nun auch der Vorstand nach.

Am nächsten Tag gibt es ein Gespräch zwischen Spielern und Trainer. "Ich möchte nicht wie bisher tauben Ohren predigen", sagt er zu ihnen. "Mit Brief und Siegel gebe ich es euch, daß es so weiter bergab gehen wird. Wenn vor allem die Sturmspitzen und der rechte Flügel nicht Himmel und Erde in Bewegung setzen, dann bleibt mir nichts anderes übrig, als die Spreu vom Weizen zu trennen. Den ständigen Meckerern muß ich ganz klar sagen: `Wer Wind sät, wir Sturm ernten.´"

Vor allem die angesprochenen jüngeren Spieler nahmen sich den Denkzettel zu Herzen, während einige der bewährten Stammspieler sich ins Fäustchen lachten. Es passierte ihnen nie, daß sie ihr Licht unter den Scheffel setzten. Und was den Vorstand des Vereins betraf, zogen es die altgedienten Spieler vor, zu ihrem Trainer zu halten, getreu der Devise: "Niemand kann zwei Herren dienen."

Im nächsten Punktspiel zeigte sich, daß die Mannschaft die Zeichen der Zeit erkannt hatte. Keinem Spieler konnte man den Vorwurf machen, er habe in beiden Halbzeiten sein Pfund vergraben. Auch die Zuschauer trugen ihr Scherflein bei, so daß der doppelte Punktgewinn allen in bester Erinnerung blieb. Der Trainer diente seiner abgekämpften Elf wie ein barmherziger Samariter. Nach dem Spiel, in der Kabine, waren sie wieder ein Herz und eine Seele.
 
 

Es war den Spieler also gut bekommen, daß der Trainer mit Menschen- und mit Engelszungen geredet hatte. Dem Vorstand fiel es wie Schuppen von den Augen, er erkannte die Wurzel alles Übels: Man muß in Auseinandersetzungen seine Zunge im Zaum halten und darf auf niemand den ersten Stein werfen.

© Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart, 1982