Abraham a Sancta Clara

      (sein Ordensname), auch Abraham a Santa Clara, (* 2. Juli 1644 als Johann Ulrich Megerle in Krähenheimstetten, heute Kreenheinstetten bei Meßkirch; † 1. Dezember 1709 in Wien) war ein katholischer Geistlicher, Prediger und Schriftsteller. Er gilt mit rund 600 Einzelschriften als bedeutendster deutscher katholischer Prediger und Poet der Barockzeit mit ungewöhnlicher Sprachkraft und Sprachfantasie. Unter anderem wrkte er auch in Hannover!


Weisheiten

    "Ein fröhlicher Mensch ist kein Schmeichler / kein Betrieger / kein Lieger / ist warhafft in seiner Sachen / thut selten weynen / vielmehr lachen."


    Brummt das Weib den ganzen Tag, so geht der Mann zum Schwarzen Bären.


    Ein Jahrmarkt ohne Hiebe,
    ein Jüngling ohne Liebe,
    ein Ehestand, der wohlbestellt,
    sind selt'ne Dinge in der Welt.


    Wenn das Schwein am fettesten ist, hat es den Metzger am meisten zu fürchten.


    Wir halten oft manchen Menschen wegen seiner Mängel und Fehler für unglücklich, ich aber sage, daß derjenige der unglücklichste Mensch ist, welchem kein Mensch gefällt.


    Freunde gibt's genug, aber sie sind wie die Sonnenuhr, die solange ihren Dienst versieht, wie die goldene Sonne zu scheinen pflegt. Sobald aber die Sonne untergeht, ist auch bei ihr alles aus.


    Das Wort Esel, wann es zurückgelesen wird, so heißt es: Lese! Wahr ist es, wann jemand kein unverständiger Esel bleiben will, so muß er die Bücher lesen, sonst wird ihm der Trichter von Nürnberg schlechte Doktorkonzepten mitteilen.


    Etliche zwar hefften die Bücher zusammen so liederlich, daß die Blätter so bald abfallen, als die Blätter von einem Baum, denen die harte Herbstlufft den Rest gibt. Einige seynd wohl auch, theils aus Unerfahrenheit, theils aus Saumseligkeit, welche die Bögen versetzen und folgsam dem gantzen Buch ein Schad und Schand zufügen. Im übrigen seynd ohnegezweifelt sehr viel, ja die meisten Buchbinder, die nicht allein einen guldenen Schnitt zu machen wissen, sondern einen guldenen Wandel führen.


    Der Mensch, der gleicht dem Aprilwetter, welches bald schön, bald wild, bald warm, bald kalt, bald trocken, bald naß, bald Sonne, bald Regen, bald Riesel, bald Schnee, bald Blumen, bald Klee.


    Der Mensch ist ein Schatten, der bald vergeht.
    Der Mensch ist ein Rauch, der nicht lange währt,
    er ist ein Feuer, das sich bald verzehrt.
    Der Mensch ist ein Wasser, das bald abrinnt,
    er ist eine Kerze, die bald abnimmt.
    Der Mensch ist ein Glas, das bald zerbricht,
    er ist ein Traum, er zeiget sich nicht.
    Der Mensch ist ein Wachs, das bald erweicht,
    er ist eine Rose, die bald verbleicht.
    Der Mensch ist ein Fleisch, das bald stinkt;
    er ist ein Schiffchen, das bald sinkt.


    Es gibt keine andere Brücke in den Himmel als das Kreuz.


    Wenn eine Kleinigkeit seine Galle rege macht; wenn etwa die Köchin eine Speise verdarb, die Kinder im Hause umher lärmen, oder die Gattin durch Widerspruch ihn erbittert, so bricht der Sturm los, die Wellen türmen sich und der Unrat, das ist Schimpfworte, und Flüche aller Art werden ausgeworfen.


    Das Heiraten gleicht dem Fischen. Mancher fischt und bekömmt einen stattlichen Haufen, eine gute Hausfrau, welche ihr Brot nicht ißt im Müßiggang. Ein Andrer fängt einen Karpfen, eine Reiche, mit welcher er einen Rogen zieht. Dieser fischt und fängt einen elenden Weißfisch, welcher voll Gräte ist; und jener gar eine giftige Schlange. Das Heiraten gleicht einem Glückstopf. Manche zieht, und erhält einen Kamm, welcher sie tüchtig zauset. Diese zieht einen Schwamm, einen Säufer welcher niemals trocken wird. Jene erhält Würfel, einen Spieler, welcher alles durchbringt und die Kinder an den Bettelstab versetzt.


    Mancher läßt sich durch die Schönheit verblenden, ohne des Sprichworts sich zu erinnern: Schönheit vergeht, Tugend besteht. Wenn die Schönheit des Körpers wäre wie die Kleider der Israeliten in der Wüste, welche in 40 Jahren sich nicht abnutzten; allein manche hat jetzt goldne Haare, und bald maßt sie sich wie eine alte Bruthenne. Die Augen sind glänzend schwarz, aber bald werden sie triefend, und rot, wie die gewisser Tauben. Die Wangen sind voll, und lieblich, aber bald werden sie einfallen, wie ein leerer Dudelsack. Die Nase ist schön geformt, alabastern, aber bald wird sie ein alter Kalender, welcher immer nasses Wetter anzeigt. Der Mund glänzt wie Corallen, aber bald wir er einer gerupften Blaumeise gleichen. Der Wuchs ist schön, aber bald geht er in Trümmer, wie die alabasternen Büchsen der Magdalena. Tugend besteht, aber Schönheit vergeht.


    Wie können diese Menschen es wagen, sich Christen zu nennen? Sie gleichen den Apothekerbüchsen, welche mit schönen goldnen Aufschriften prangen, und oft die bittersten, ekelhaftesten Dinge enthalten. Wehe solchen Christen! Wehe denen, welche den Namen des Stifters der Religion tragen, aber seinen Werken nicht folgen.


WER BIST DU, MENSCH?

    Wer bist du, Mensch?
    Ein Garten voller Disteln.
    Is nit gnug das.
    Eine Rose voller Dornen.
    Is noch nit gnug.
    Ein Himmel voller Finsternis.

 

Sonne und Wind
Abraham a Sancta Clara

    Der Wind, welcher ohnedas ein stolzer und aufgeblasener Gesell, macht den Anfang und fangt mit solcher Gewalt zu blasen und rasen an, daß bei einem Haar dem armen Handwerksbürschel der Hut wäre vom Kopf geflogen. Wie aber der gute Mensch solches vermerkt, da hat er dergestalten den Hut an den Kopf gedruckt, daß auch ein Binder oder Küfer den Reif an das Faß nicht besser zwingen könnte. Desgleichen hat er sich auch dermaßen in den Mantel eingewickelt, daß auch ein Zigeunerweib ihr Kind nit besser könnte einfätschen:

    Ja zu mehrer Sicherheit hat er sich an einen großen Eichbaum gelehnt, alldort so lang zu verharren, bis der tobende Wind den Kehraus pfeife. Wie solches der Wind wahrgenommen, da hat er alsobald an dem Sieg verzweifelt.

    Hierauf hat die Sonn' ihre Kräften angespannt und dem reisenden Wandergesellen, so sich allbereits wieder auf den Weg gemacht, angefangen auf den Buckel zu stechen und nach und nach denselben mit den hitzigen Strahlen zu quälen, daß er den Mantel ernstlich abgelegt, nachgehends das Wams und, wie er zu einem Bach gekommen, gar alle Kleider ausgezogen und sich darin durch das Baden abgekühlt, wodurch die Sonn' den glorreichen Sieg erhalten, der tobende Wind aber mit seinem Sturm nichts ausgerichtet.

    Mit glimpflicher Art, mit Sanftmut und Güte richtet man öfter mehr aus als mit unmäßiger Schärfe.Die strahlende Sonne und der stürmische Wind haben auf eine Zeit miteinander gewettet, wer stärker unter allen beiden sei. Nachdem sie einander die Hand darauf gegeben, so mußte die Prob' geschehen an einem Wandergesellen, welcher mit seinem Bündel oder Ranzen in die Fremde gereist. Welcher diesem seinen Mantel samt den Kleidern werde abziehen, der sollte gewonnen haben.

 

Der Fuchs und der Holzhacker
Abraham a Sancta Clara

    Ein vor Jägern fliehender Fuchs fand, nachdem er lange in der Wildnis herumgelaufen war, endlich einen Holzhacker und bat denselben inständig, ihn doch bei sich zu verbergen. Dieser zeigte ihm seine Hütte, worauf der Fuchs hineinging und sich in einem Winkel versteckte. Als die Jäger kamen und sich bei dem Manne erkundigten, so versicherte dieser zwar durch Worte, er wisse nichts, deutete aber mit der Hand nach dem Orte hin, wo der Fuchs versteckt war. Allein die Jäger hatten nicht darauf geachtet und entfernten sich sogleich wieder. Wie nun der Fuchs sie fortgehen sah, ging er wieder heraus, ohne etwas zu sagen; und als der Holzhacker ihm Vorwürfe machte, daß er ihm, durch den er doch gerettet worden sei, keinen Dank bezeuge, drehte sich der Fuchs nochmals um und sprach: "Ich wüßte dir gerne Dank, wenn die Werke deiner Hand und deine Gesinnung mit deinen Reden im Einklange ständen."
    Die Fabel geht diejenigen an, die zwar die Rechtschaffenheit im Munde führen, durch ihre Handlungen aber das Gegenteil an den Tag legen.


Eine schlagfertige Antwort

Abraham a Sancta Clara

    Ein Bot ging einmal mit seinem Spieß durch ein Dorf, allwo ihn ein bissiger Hund angefallen. Der Bot aber wehrete sich tapfer mit dem Spieß, also zwar, daß der Hund auf dem Platz liegengeblieben. Der Herr dieses Hundes wollte in alleweg ihn bezahlter haben, schlug ihn auch in hohen Preis an wegen seiner bekannten Treu und Wachtsamkeit. Der Bot entschuldiget sich, es wäre aus keinem Vorsatz geschehen, sondern er habe seinen Leib müssen schützen. Darüber kamen sie vor den Richter, welcher zu dem Boten als Beklagten gesaget: »Du hättest fein den Spieß sollen umwenden und nicht die Spitz vorhalten.«

    Der Richter mußte hierüber lachen, und der Bot wurde ohne Entgelt ledig gesprochen.»Ja«, sprach der Bot, »wann mir der Hund den Schweif und nicht die Zähne gewiesen hätte.«

 

Der Roßschweif an der Krippe

Abraham a Sancta Clara

    Die Leute und gewinnsichtige Menschen erdenken allerlei Ränke und Betrug, wie sie nur mögen Geld bekommen, sie erwägen dessenthalben nicht weder Gottes Gebot noch der Menschen. Das Geld sollte eigentlich genennet werden Vestra Dominatio, Eure Herrlichkeit, maßen es über die mehreste Menschen herrschet.Ein Landfahrer und Leutebetrüger ist einmal auf Landshut, so eine Stadt in Bayern, ankommen und hat daselbst austrommlen und ausrufen lassen, daß bei ihme eine Wundersach zu sehen seie, nämlich, er habe ein Pferd, welches den Kopf hat, wo andere Roß den Schweif, wer solches schauen will, der muß einen Groschen geben. Die Leute, so mehrerteils dem Vorwitz ergeben, sind in großer Menge zugeloffen. Nachdem nun alle bezahlet, da hat er den Stall eröffnet. Ein jeder wollte fast der erste darin sein, es wurden aber alle diesfalls ziemlich betrogen, maßen er das Pferd im Stall umgekehret und mit dem Schweif am Roßbahrn oder Krippen gebunden. »Da schauet«, sagt er, »andere Pferde haben den Kopf an diesem Ort, mein Roß aber den Schweif«, welches dann nicht ohne Gelächter abgeloffen.

 

Ein Bauer wirft einen Pfleger in den Bach

Abraham a Sancta Clara

    Diejenige, so allzuhart mit dem armen Bauersmann verfahren, verdienen nicht allein dergleichen Dinge, sondern haben andere Strafe von Gott zu gewarten.Ein Verwalter oder Pfleger, der seines Edelmannes Bauren tapfer schinden helfen und nach Wohlgefallen dieselbe gekämplet, kam endlich auch in Ungnaden, also, daß er seines Dienstes entlassen worden. Wie er sich nun auf den Weg gemachet, um andere Dienst umzuschauen, kam er in ein Dorf, so seinem gewesenen Herren zugehörig. Daselbst war ein Bach, daß er zu Fuß nicht wohl durch konnte, bate demnach einen Bauren, er möchte ihn doch hindurchtragen, er wolle ihm anderwärts wiederum einen Dienst erweisen. Der Bauer war hierzu gar ehrerbietig. Wie er aber mitten in den Bach gekommen und den Pfleger auf dem Rücken getragen, so fragte er denselben, wo er denn hin wolle. Der Pfleger gab zur Antwort: »Ich muß sehen, daß ich andere Dienst bekomme.« Der Bauer sagt: »Wie, seid Ihr nicht mehr bei unseren Edelmann und Herrschaft?« Der Pfleger sagte: »Nein.« Darauf sagte der Bauer: »So trag Dich der Teufel«, und wurf ihn darmit in Bach und lief darvon.

 


Die alten und die jungen Frösche

Abraham a Sancta Clara

    "Schamt euch, ihr grünhosenden Fratzen!" sagte er, "ihr wilden Lachendrescher, ihr hupfenden Spitzbuben, schamt euch, daß ihr so ein verdrießlich Geschrei vollführt! Wenn ihr aber doch wollt lustig sein und frohlocken, so singt aufs wenigst' wie die Nachtigall, wlche auf diesem nächsten Ast sitzt. Ihr großmaulenden Narren, könt ihr denn nichts anderes als nur das Qua-Qua-Qua?"

    "Vater", antworteten die Frösche, "das haben wir von dir gelernt."Die jungen Frösche haben einmal bei warmer Sommerzeit nächst einer Lache über allen Maßen gequackt und geschrien, also zwar, daß ein alter Frosch selbst über diese abgeschmackte Musik verdrüssig geworden und die Jungen nicht wenig ausgefilzt hat.