Konfirmanden – Konfirmation! „Ohne Spinnengeweb vorm Maul“ – oder „Vor Gehalten und nach Gedacht“ |
Die Geschichte der Konfirmation beginntmit einer Trotzreaktion, mit gegenseitigen Vorwürfen, mir halbherzigen Überlegungen. Wichtig war am Ende nur, dass eine weitere Spaltung vermieden werden konnte, dass den Wiedertäufern der Wind aus den Segeln genommen werden konnte. Bucerius hatte mit dem Gedanken der kirchlichen Unterweisung durchaus einen schlüssigen Weg aufgebaut – wenn da nicht die Falle schon in der Startposition gelegen hätte. Die Reformation hatte sich von vielen Dingen des katholischen Lebens verabschiedet, so auch von der Begleitung der Kinder in ihrem Heranwachsen als glaubende Menschen, denen mit der Taufe ein unendliches Geschenkt gemacht wurde. ABER allein in der Versachlichung der Begleitung, im Verengen auf vorgegebene dogmatische Formeln wächst in Wirklichkeit kein Mensch auch nur einen Tag lang auf. Hinzukommt, dass die Unterweisung vor der Reformation sich tatsächlich nicht auf kindgemäße Formen einlassen mochte, sondern die Formeln und Dogmen supervereinfacht den Eltern einhämmerte und diesen auftrug, sie ihren Kindern weiterzugeben. Entsprechend baute Bucerius seine Unterweisung vor der Konfirmation genau auf dieser Familiengrundlage. Er ging faktisch davon aus, dass in den evangelisch orientierten Familien ohnehin täglich die Hausandacht gepflegt wurde, das Wort der Heiligen Schrift damit den Tag begleitete, das Gebet gewissermaßen zur Einrichtung der Familie gehörte. Und er setzte damit voraus, dass in den Familien auch das Glaubensgespräch geführt wird. - Ein Idealisierung, der vielleicht in 10 von 100 Familien damals mehr oder weniger nahe gekommen werden konnte. Auf diesem Fundament sollte dann die kirchliche Unterweisung im Pfarrhaus bauen, in dem die Säulen Taufe und Abendmahl (incl. Beichte) stützend und weiterführend dem nun bald erwachsenen Menschen ein glaubensvolles Leben ermöglichen könnten – zu dem er mit der Konfirmation selber vorher JA gesagt hatte. Dazu gehörten auch damals schon die wichtigen Aufgaben der Paten, das Kind in seinem Heranwachsen zu begleiten, ihm beizustehen. Die Konfirmandenzeit sollte etwa ein halbes Jahr umfassen und war vom Pfarrer der Gemeinde zu leiten. Welchen Stellenwert die Konfirmandenzeit dann im Verlaufe der folgenden Jahrhunderte zugewiesen bekam, ist allein schon darin abzulesen, dass in Hamburg die Konfirmation erst Mitte des 19ten Jhd. eingeführt wurde. Genau zu der Zeit, als sich die kritischen Anmerkungen in den Visitationsberichten der Pfarrer landesweit häuften und immer wieder der Zweifel am Wert der kirchlichen Unterweisung in den Vordergrund gestellt wird. Selbst die immer wieder geübte Disziplinierung der Gemeinden, die Institution Konfirmation nicht durch Missachtung zu entwürdigen, brachte bei genauem Hinsehen nur nach einem sehr kurzen Strohfeuer keine Erfolge. Wenn die Tochter, der Sohn im Haus, auf dem Hof, im Betrieb, auf dem Feld „gebraucht“ wurde, dann war das eben so. Konfirmandenzeit rangierte von Anfang an immer an letzter Stelle. Übersetzt heißt das auch – schon damals: Es wird kein wirklicher Sinn in dem gesehen, was die Kirche da von unseren Kindern will. Eine Glaubensauseinandersetzung in den Familien passierte weiterhin lediglich auf sehr schmalem Grund. In den allermeisten Familien gar nicht und in nur wenigen Familien wirklich das Individuum akzeptierend. „Warum wurde ich getauft!“ - es wäre eine eigene Untersuchung wert, diese Frage Kindern und Erwachsenen vielseitig zu stellen. „Wann hast Du gefragt?“ -“Was wurde dir geantwortet?“ - „Wer hat dir geantwortet, oder wer wollte oder konnte nichts dazu sagen?“ Im Blick auf die kirchliche Unterweisung nach dem II.Weltkrieg wird das Drama der vorausgehenden dreißig Jahre verstärkt und unreflektiert fortgesetzt. Das zerfallene Kaiserreich, die fehlenden Reibungspunkte der gesellschaftlichen Hierarchien, lässt die Pfarrer und Bischöfe als letzte Instanzen zurück. Diese sind damit nicht mehr in einer staatstragenden Doppelrolle und können nun überhaupt nicht mehr auf das Leben neben der Kirche Einfluss nehmen. Die Diskussion in den Familien hat sich zunächst schleichend von den Städten auf das Land begeben. „Was der Pastor schon sagt!“ In den Städten wird erstmals verstärkt beklagt, dass der Respekt vor den Geistlichen auch seitens der Konfirmanden verloren geht. Einher geht diese Wahrnehmung mit dem ohnehin nicht mehr zu übersehenden Werteverlust schon vor 1933. Der Konfirmandenunterricht bleibt sich treu, so als wäre nichts passiert. Feste Zeiten, riesigen Unterrichtsgruppen; Unterrichtsformen, die längst von damaligen Religionspädagogen kritisiert wurden. Wer unterrichtet die Kinder? Prediger, die nebenbei von ihren „Vikariatsvätern“ abgeguckt haben, wie die das machen. Die Konsistorien geben die Marschrichtungen vor und lassen auch die Einhaltung der Regelwerke überprüfen. - Einzig die Disziplin steht im Vordergrund. In einer Darstellung der Sitten und Bräuche im alten „Landkreis Linden“ (heute: Teil der „Region Hannover“) schildert E.Bock aus der Zeit um 1850 auch die Nebensächlichkeit Konfirmation, auf dem Lande: Zwei Prüfungen gehörten dazu, Geschenke an den Konfirmator, Geschenke an die neuen Konfirmanden, viel Essen und Trinken im Wirtshaus – alles vor der Konfirmation und dann nach dem „feierlichen Akte“ und dem festlichen Essen daheim, der Besuch der Konfirmanden untereinander „und bei jedem wurde was getrunken, mal mehr und mal weniger“. Noch in den 1970er Jahren gab es in dem selben Gebiet die Sprachform für Konfirmation „wer kommt denn dies Jahr raus?“ übersetzt: „wer wird in diesem Jahr konfirmiert?“ denn Konfirmation war aus eigener Erfahrung dieser Menschen gleichgesetzt mit Schulende und Berufsbeginn. Dass dieser Umstand sich da schon zumindest für die Hauptschüler um ein Jahr verschoben hatte, konnte noch nicht in den Sprachgebrauch einbezogen werden. Konfirmation war längst zu einem Datum verkümmert, das einmal im Leben im Kalender steht und schon nach fünf Jahren von der erschreckenden Mehrheit nicht mal mehr auf Anhieb mit der Jahreszahl benannt werden kann. Eine Konfirmandenstunde in den 1940er Jahren unterschied sich bis in die 1960er Jahre durch überhaupt nichts: 40-50 Kinder in einem Raum, ein entnervter Pastor, grad von einer Beerdigung kommend, schnell alle Kinder aufrufend, ob noch alle vorhanden sind, „abhorchen“ des vor einer Woche aufgegebenen Lernstoffes, Lied, Bibeltexte, Katechismusstücke; immer wieder für „Ruhe“ sorgen, irgendwelche Dönekens erzählen, die selbstredend nicht bei allen dreißig Kindern gleichzeitig Begeisterung erzeugen. Aufgeben des neuen Lernstoffes. Eine Reflexion, gar eine Vertiefung im Blick auf die Lebenssituation eines pubertierenden jungen Menschen passiert nicht einmal im Ansatz. Wie auch, wenn diese Generation nicht einmal gelernt hat, frei seine Meinung ungestraft sagen zu dürfen. Und der Glaube an einen Gott des Herrn Pastor muss ja erst einmal verstanden werden, um ihn dann zu reflektieren – auf die eigene Person zu beziehen. In den Berichten von Konfirmandinnen und Konfirmanden der Jahrgänge 1940-1960 tauchen unsäglich oft die Erzählungen des Pastoren auf, die die Kinder an die Front des II.Weltkrieges führen, der berühmte Psalm 23. auswendig hergesprochen im Schützengraben. „aber wir sind doch nicht im Krieg“ hatte ein Mädchen dazu einmal entnervt ausgerufen und sich vom Pastor „eine gefangen“, was sie ihm bis heute nicht nachsehen kann. In einer pur zufälligen und doch flächendeckenden Erhebung aus dem Jahr 1985 wird erschreckend deutlich, wie viele Ängste die Pastorinnen und Pastoren gegenüber den Konfirmandengruppen in den Unterricht tragen. Diese Erhebung hatte zum eigentlichen Zweck, die Konfirmanden genauso flächendeckend nach ihrer Einstellung zu befragen „heute ist Dienstag, gleich um 15 Uhr ist Konfer, was denkst du?!“ - Die selber Frage wurde auch allen Rel.Päds und unterrichtenden Geistlichen gestellt – der 100%-Rücklauf war durch KU-Gruppe und Kirchnekreis-Konferenz geradezu garantiert. Die Angst der Pfarrstelleninhaber korrespondierte mit dem Frust der Konfirmanden wegen der vergeudeten Zeit – auch bei den Gruppen der Rel.Päds. In allen Kirchengemeinden gab es zum Zeitpunkt der Erhebung bereits neue Formen des KU, bis hin zu ganz neuen KU-Modellen. Keine der Gruppen war über 20 Personen stark, teilweise wurde bereits per Team gearbeitet. Zu diesem Zahlenwust passt auch die erschreckende Antwort auf die Frage kurz nach der Konfirmation, die in einer der Gemeinden über mehrere Jahre hinweg den Konfirmierten bei einem Treffen gestellt wurde. Das Treffen war „freiwillig“, Teilnahme ca 50% der Konfirmierten des Jahrganges – die Standartfrage lautete: Was würdest du am Konfer ändern, so wie Du ihn erlebt hast? - Neben vielen Einzelvoten, die durchaus hilfreiche Hinweise enthielten kam in jedem Jahr auch der vehement vorgebrachte Vorwurf: „Nicht so viel auswendig lernen!“ - Und nun bitte genau hinlesen! In dieser Kirchengemeinde gibt es seit 1967 kein „Auswendiglernen“, keinerlei Memorierversuche mehr. Zwanzig Jahre später aber steckt der Schrecken noch in den Köpfen von jungen Menschen, die es nicht kennen können! Welchen Wert hat Konfirmandenunterricht? |